ERGEBNISSE DER ELFTEN IW-WEITERBILDUNGSERHEBUNG 2023
In der Metall- und Elektro-Industrie (M+E) hat sich die berufliche Weiterbildung in nahezu allen Unternehmen etabliert. Die Ergebnisse der IW-Weiterbildungserhebung 2023 belegen eindrucksvoll, wie intensiv sich diese Branche für die Qualifizierung ihrer Beschäftigten einsetzt. Dieser Blogbeitrag gibt einen detaillierten Blick auf die zentralen Erkenntnisse und zeigt auf, wie die Weiterbildung in der M+E-Branche noch weiter gestärkt werden kann.
ÜBERDURCHSCHNITTLICHES ENGAGEMENT FÜR WEITERBILDUNG
Die M+E-Branche zeichnet sich durch ein außergewöhnlich hohes Engagement für die Weiterbildung ihrer Beschäftigten aus. Nur 2,9 Prozent der M+E-Unternehmen bieten keine Weiterbildungsmöglichkeiten. Das zeigt, wie stark dieser Sektor in die Entwicklung seiner Beschäftigten investiert. Dieses Engagement spiegelt sich auch in der steigenden Anzahl der Weiterbildungsstunden wider. Im Jahr 2022 investierten die Unternehmen der M+E-Branche durchschnittlich 17,9 Stunden pro Mitarbeiter in Weiterbildung. Dieser zeitliche Umfang hat sich seit 2016 kontinuierlich erhöht (2016: 14,8 Stunden, 2019: 15,6 Stunden). Obwohl dieser Wert unter dem Durchschnitt aller Unternehmen in der Gesamtwirtschaft (20,3 Stunden) liegt, ist er höher als der Durchschnitt der Industrie insgesamt (16,6 Stunden). Dies zeigt, dass die M+E-Branche eine Vorreiterrolle in der Weiterbildung in der Industrie einnimmt.
WEITERBILDUNGSBETEILIGUNG UND UMFANG DER WEITERBILDUNG 2016, 2019 und 2022
Anteil der Unternehmen mit Weiterbildungsangeboten, Stunden für Weiterbildung pro Jahr und Kopf
ZUNEHMENDE FINANZIELLE INVESTITIONEN
Neben der zeitlichen Investition haben die M+E-Unternehmen auch ihre finanziellen Aufwendungen für Weiterbildung erheblich gesteigert. Im Jahr 2022 erfolgten knapp 87 Prozent der Weiterbildungen während der Arbeitszeit, wodurch die Arbeitgeber einen bedeutenden Teil der Weiterbildungskosten über die Lohnkosten tragen. Zusätzlich übernehmen die Unternehmen die direkten Weiterbildungskosten, sodass im Jahr 2022 insgesamt pro Mitarbeiter 1.585 Euro in Weiterbildung investiert wurden. Dies stellt einen deutliche Erhöhung im Vergleich zu 2019 dar, wo die Investitionen pro Kopf um 475 Euro niedriger lagen.
Im Vergleich zur Gesamtwirtschaft, die im Durchschnitt 1.347 Euro pro Jahr und Mitarbeiter für Weiterbildung ausgibt, zeigt sich die überdurch-schnittliche Investitionsbereitschaft der M+E-Branche (1.585 Euro). Diese finanziellen Investitionen unterstreichen die Bedeutung, die die Unternehmen der kontinuierlichen Qualifizierung ihrer Beschäftigten beimessen, um den Herausforderungen des Marktes und technologischen Entwicklungen gewachsen zu sein.
BREITES SPEKTRUM AN WEITERBILDUNGSMAßNAHMEN
Die M+E-Branche bietet ihren Beschäftigten eine Vielzahl von Weiterbildungsmaßnahmen an. Diese umfassen sowohl formale, non-formale als auch informelle Weiterbildungen. Besonders hervorzuheben ist der hohe Anteil informeller Weiterbildungsstunden, zu denen Unterweisungen und Schulungen am Arbeitsplatz sowie die Teilnahme an Fachvorträgen, Tagungen und Messen zählen. Mehr als die Hälfte der Weiterbildungs-stunden entfallen aufsolche informellen Maßnahmen, die oft direkt im Arbeitsumfeld stattfinden und dadurch praxisnahes Lernen ermöglichen.
Das breite Spektrum an Weiterbildungsangeboten spiegelt die vielfältigen Anforderungen und Herausforderungen wider, denen die M+E-Branche gegenübersteht. Berufliche Fachkenntnisse stehen im Mittelpunkt, doch auch IT-Anwender- und Spezialkenntnisse sowie soziale Kompetenzen und Persönlichkeitsentwicklung sind zentrale Weiterbildungsinhalte. Diese Weiterbildungen sind von besonderer Bedeutung, um die Mitarbeitenden auf die Transformationsprozesse vorzubereiten, die durch Digitalisierung und technologische Innovationen ausgelöst werden.
FINANZIELLE UNTERSTÜTZUNG UND INDIVIDUELL ZUGESCHNITTENE ANGEBOTE
Befragt nach Unterstützungsmaßnahmen, die den Unternehmen helfen würden, noch mehr Weiterbildung zu ermöglichen, bewerten viele M+E-Unternehmen eine finanzielle Förderung und individuell zugeschnittene Weiterbildungsangebote als hilfreich. Diese Angebote berücksichtigen die spezifischen Rahmenbedingungen im Unternehmen und sind darauf ausgelegt, die besonderen Bedürfnisse der Mitarbeitenden zu erfüllen. Individuell zugeschnittene Weiterbildungsangebote sind besonders wichtig, um die spezifischen Qualifikationsbedarfe der Unternehmen und ihrer Mitarbeitenden zu adressieren. Diese maßgeschneiderten Maßnahmen tragen dazu bei, dass die Mitarbeitenden die für ihre Aufgaben erforderlichen Kompetenzen entwickeln und so ihre Leistungsfähigkeit und Zufriedenheit gesteigert wird. Erfahrungsaustausch und das Lernen anhand von BestPractice-Beispielen werden ebenfalls als hilfreich bewertet.
HEMMNISSE FÜR WEITERBILDUNG
Trotz des hohen Engagements gibt es auch Hindernisse, die die Ausweitung von Weiterbildungsaktivitäten erschweren. Ein zentrales Hemmnis ist die fehlende Zeit für zusätzliche Freistellungen, das Zweidrittel der M+E-Unternehmen spüren. Fast 63 Prozent der Unternehmen in der M+E-Branche geben außerdem an, dass ein geringes Interesse der Beschäftigten an weiteren Weiterbildungsmaßnahmen besteht. Finanzielle Engpässe werden hingegen nur von einem Drittel der M+E-Unternehmen als Hindernis genannt. Der fehlende Weiterbildungsbedarf wird in der M+E-Branche seltener als Hemmnis wahrgenommen als in der Gesamtwirtschaft. Während 2019 noch knapp 64 Prozent der Unternehmen den fehlenden Bedarf als Hemmnis nannten, sind es aktuell nur noch knapp 40 Prozent. Dies deutet darauf hin, dass der Weiterbildungsbedarf in der M+E-Branche steigt. Allerdings erfassen nur etwa die Hälfte der M+E-Unternehmen den Weiterbildungsund Qualifizierungsbedarf systematisch, sodass Potenziale zur gezielten Ausweitung der Weiterbildungsaktivitäten nicht vollständig ausgeschöpft werden.
POTENZIAL DER WEITERBILDUNGSKULTUR
Die Ergebnisse der Weiterbildungserhebung zeigen, dass viele Elemente einer gelebten Weiterbildungskultur in den M+E-Unternehmen vorhanden sind und genutzt werden. Fast alle Unternehmen in der Branche erwarten von ihren Mitarbeitenden eine lebenslange Bereitschaft zum Lernen. Die Mehrheit der Unternehmen stellt ihre Mitarbeitenden für Weiterbildungen von der Arbeit frei und ermutigt sie zur Teilnahme. Etwa die Hälfte der M+E-Unternehmen ermittelt den Qualifizierungsbedarf systematisch, was eine Grundlage für individuell zugeschnittene Weiterbildungsmaßnahmen bildet. Trotz dieser positiven Entwicklungen sehen die M+E-Unternehmen noch Potenzial zur Verbesserung der Weiterbildungskultur. Um das Interesse und die Teilnahme an Weiterbildungen zu fördern, könnte es hilfreich sein, die Beschäftigten stärker
einzubeziehen und die Weiterbildungsangebote bekannter zu machen. Auch die Führungskräfte sollten stärker als Vorbilder in Sachen Weiterbildung agieren. Gleichzeitig sind die Beschäftigten selbst gefordert, sich aus eigenem Interesse weiterzubilden und die betrieblichen Angebote für Qualifizierung zu nutzen. In Zeiten der Transformation ist es besonders wichtig, die eigene Beschäftigungsfähigkeit für die Zukunft zu sichern.
ENGAGEMENT FÜR NACHHALTIGKEIT
Neben der Weiterbildung engagiert sich die M+E-Branche intensiv für nachhaltiges Handeln. Die Unternehmen setzen sich im Vergleich zu anderen Branchen intensiver mit Fragen der sozialen, ökonomischen und ökologischen Nachhaltigkeit auseinander. Besonders hervorzuheben sind Maßnahmen zur Energieeffizienz, sparsamer Materialeinsatz und die Vermeidung von Verschmutzungen. Viele Unternehmen setzen auf energieeffiziente Herstellungsverfahren, die einen großen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz leisten. Um nachhaltiges Handeln weiter zu fördern, erwerben die Beschäftigten durch Weiterbildung spezifische Kompetenzen in ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit. Diese umfassen die effiziente Nutzung von Ressourcen und die Vermeidung von Abfall. Die erfolgreiche Integration und Weiterentwicklung nachhaltiger Praktiken im Unternehmen erfordern eine ganzheitliche Betrachtung, die soziale, wirtschaftliche und ökologische Aspekte einschließt. Mitarbeiter müssen in der Lage sein, prozessorientiert zu denken und eigenverantwortlich zu handeln. In der M+E-Branche werden diese Kompetenzen intensiv
vermittelt, was zeigt, dass die Unternehmen die Bedeutung nachhaltigen Handelns erkannt haben.
DIGITALISIERUNG IN DER WEITERBILDUNG
Die Digitalisierung hat auch in der Weiterbildung der M+E-Branche Einzug gehalten und ermöglicht flexibles und individuelles Lernen. Digitale Lernformate, wie Webinare, OnlineKurse und computer- oder webbasierte Selbstlernprogramme, werden in sehr vielen Unternehmen angeboten. Darüber hinaus werden Formate wie Lernvideos, Podcasts und Audiomodule vermehrt genutzt. Diese digitalen Medien bieten vielfältige und wachsende Möglichkeiten, die Chancen und Potenziale des digitalen Lernens zur Weiterbildung zunutzen.
ZUSAMMENFASSUNG
Die Ergebnisse der IW-Weiterbildungserhebung 2023 zeigen, dass die M+E-Branche ein Vorreiter im Bereich der betrieblichen Weiterbildung ist. Mit einem hohen Engagement für die Qualifizierung ihrer Mitarbeitenden, erheblichen finanziellen Investitionen und einer breiten Palette an Weiterbildungsmaßnahmen setzt die Branche Maßstäbe. Trotz einiger Hindernisse, wie fehlender Zeit und einem vergleichsweise geringen Interesse der Beschäftigten, zeigt die M+E-Branche eine starke Weiterbildungskultur, die weiter ausgebaut werden kann. Zudem engagieren sich die Unternehmen intensiv für nachhaltiges Handeln und nutzen die Chancen der Digitalisierung, um ihre Mitarbeitenden flexibel und effizient
weiterzubilden. Die M+E-Branche zeigt damit eindrucksvoll, wie wichtig und lohnend es ist, in die Weiterbildung der Beschäftigten zu investieren.
Gastautorinnen: Sabine Köhne-Finster, Dr. Susanne Seyda vom IW Köln