8. März 2021  |  
Dr. Stefan Baron

Die Weiterbildung von Frauen in den Blick nehmen

Aus Anlass des internationalen Frauentages am 8. März soll in diesem Blogbeitrag der Blick darauf geworfen werden, wie sich die Weiterbildungsbeteiligung zwischen Frauen und Männern in der Metall- und Elektroindustrie unterscheidet. Braucht es eine stärkere Förderung der Weiterbildungsbeteiligung von Frauen oder besteht in der betrieblichen Weiterbildung weitestgehend Chancengleichheit? Es ist gar nicht einfach, diese Frage mit einem klaren Ja oder Nein zu beantworten.

Einen ersten Hinweis bietet die Auswertung des Adult Education Survey aus dem Jahr 2018. Damals haben sich nur rund die Hälfte (54 %) der vollzeitbeschäftigten Männer an betrieblicher Weiterbildung beteiligt, bei vollzeitbeschäftigten Frauen waren es 47 Prozent. Dies macht ein Unterschied von 7 Prozent. Interessant sind jedoch nicht nur diese Zahlen, sondern auch die Tatsache, dass Männer in den Jahren zuvor Ihre Weiterbildungsbeteiligung ausgebaut haben, während die Beteiligung ihrer Kolleginnen auf einem niedrigeren Niveau mehr oder weniger verharrten. So gab es im Jahr 2012 mit einer Weiterbildungsbeteiligung von jeweils 49 Prozent keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern. Möchte man etwas für die Stärkung der Weiterbildungsbeteiligung von Frauen tun, wäre es ein erster Schritt zu analysieren, warum vollzeitbeschäftigte Frauen in den Jahren 2012 bis 2018 nicht in vergleichbarem Maße ihre Weiterbildungsbeteiligung steigern konnten oder auch wollten. Interessanterweise steigerten teilzeiterwerbstätige Frauen indes ihre Beteiligung in stärkerem Umfang als ihre vollzeitbeschäftigten Kollegen.

Leider fehlen neuere Daten. Denn es gilt als sicher, dass sich die Corona-Krise negativ auf die Weiterbildungsbeteiligung auswirkt. Wollen wir hoffen, dass es keine Langzeitfolgen gibt. Auch wurden keine branchenspezifischen Daten veröffentlicht, etwa speziell für die Metall- und Elektroindustrie. Aussagen für einzelne Sparten sind nicht möglich, auch wurde nicht für bestimmte Berufsfelder differenziert.

Klar ist aber, dass das Geschlecht keinen eigenständigen Einfluss auf die Weiterbildungsbeteiligung hat. Es ist vielmehr ein Proxy für andere Einflussfaktoren. Hierzu zählen der gewählte Beruf, der Bildungsabschluss, die Unternehmensgröße, die berufliche Position, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder das direkte Arbeitsumfeld. Wir wissen, dass die Weiterbildungsbeteiligung im Einzelhandel deutlich geringer ist als zum Beispiel im Fahrzeugbau, Akademiker eine andere Einstellung zu Weiterbildung haben als An- und Ungelernte und größere Unternehmen häufiger als KMU für Weiterbildungsmaßnahmen freistellen und/oder sich an den Kosten beteiligen. An diesen Faktoren lässt sich in der konkreten betrieblichen Arbeit wenig verändern. Anders sieht es bei den anderen Einflussmöglichkeiten aus.

Der internationale Frauentag ist ein guter Anlass, die Unternehmen und Betriebsräte daran zu erinnern, Kolleginnen in der betrieblichen Weiterbildung nicht aus den Augen zu verlieren. Das Ziel muss es sein, dass Frauen vom Unternehmen vergleichbare Weiterbildungsmöglichkeiten erhalten wie ihre männlichen Kollegen auf ähnlicher Position. Dies gilt auch für die Inhalte. Latent vorhandene Vorurteile, demnach Frauen zum Beispiel kein Interesse an einer Führungsposition haben könnten, müssen vermieden werden. Entsprechend müssen sie in der Fachlaufbahnentwicklung oder in der Aufstiegsfortbildung in gleichem Maße berücksichtigt werden. Jedenfalls sind Frauen mindestens genauso weiterbildungsbereit wie ihre Kollegen. Jedoch sind sie stärker als die Väter in familiäre Pflichten eingebunden. Entsprechend müssen Weiterbildungen so gestaltet werden, dass sie nicht nur mit dem Beruf, sondern auch mit der Familie vereinbar sind. Zunehmend ist dies auch für jüngere Familienväter von Relevanz, die eine andere Work-Life Balance anstreben.

All dies sollte in den mindestens jährlich stattfindenden Qualifizierungsgesprächen berücksichtigt werden, die im Tarifvertrag für die berufliche Weiterbildung der Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie (TV Quali) festgeschrieben sind. Es gilt, die direkten Vorgesetzten, welche die Gespräche durchführen, entsprechend zu sensibilisieren. Auch Beschäftigte in der gesetzlichen Elternzeit und in Kindererziehungszeiten haben Anspruch auf ein solches Gespräch. Und natürlich sollte die Weiterbildungsbeteiligung der Frauen in der Beratung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zur Umsetzung der betrieblichen Qualifizierungsmaßnahmen berücksichtigt werden.

Im Vergleich zu anderen Branchen ist die Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg aufgrund des TV Quali und teilweise vorhandener Betriebsvereinbarungen verhältnismäßig gut aufgestellt. Gerade in tarifgebundenen Unternehmen gibt es vermutlich wenige Unterschiede in der Weiterbildungsbeteiligung zwischen Frauen und Männern mit identischen Tätigkeiten. Dies gilt erst recht für Tätigkeiten in der Produktion, während die Betriebsparteien aufgrund der Corona-Situation und des mobilen Arbeitens im Homeoffice ein wachsames Auge auf die Weiterbildung der Beschäftigten im indirekten Bereich haben sollten. Aufgrund des zeitgleich stattfindenden Homeschooling, für das häufiger die Mütter verantwortlich zeichnen, droht die Weiterbildung hinten runterzufallen. Nicht nur deshalb gilt es, die Weiterbildungsbeteiligung der Frauen in den nächsten 365 Tagen bis zum 8. März 2022 im Blick zu behalten.