14. Oktober 2024  |  
Dr. Stefan Baron

Die Zukunft beginnt mit Qualifizieren! Die neue Future Skills-Studie der AgenturQ

Die Zukunft beginnt mit Qualifizierung – so lautet das Leitmotiv der AgenturQ. Doch häufig erleben wir in unseren Beratungen in den Unternehmen, dass es nicht immer so klar ist, wo genau die Zukunft des Unternehmens liegt. Es ist ja nicht nur die Transformation der Metall- und Elektroindustrie, über die viel gesprochen und geschrieben wird. Es sind zum Beispiel auch innen- und außenpolitische Faktoren oder die Energiepreise, die einen Blick in die Zukunft mit vielen Unbekannten versehen. Welche Produkte man in Zukunft verkauft und welche Qualifikationen man hierfür benötigt? Nicht immer ist es einfach, diese Fragen zu beantworten. Doch ohne Antworten ist es auch schwierig, für die Zukunft zu qualifizieren.

Aber nichts tun und den Sand in den Kopf zu stecken ist keine Alternative. Denn eine Zukunft gibt es nur mit qualifizierten Mitarbeitenden. Sie sind eine Grundvoraussetzung für Innovationen, welche die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens stärken. Qualifizierte Mitarbeitende sind somit ein Wettbewerbsvorteil. Aber auch die Mitarbeitenden selbst müssen sich um ihre Weiterbildung kümmern, verlieren sie doch ohne Qualifizierung immer häufiger nach und nach ihre Beschäftigungsfähigkeit.

Statt den Kopf in den Sand zu stecken, empfehle ich einen Blick in die neue Future Skills-Studie der AgenturQ. Mit ihr möchten wir Orientierung bieten, welche Zukunftskompetenzen in den nächsten sechs Jahren bis 2030 möglicherweise im Unternehmen benötigt werden, auch wenn die Zukunft jetzt noch mit vielen Fragezeichen verbunden ist.

39 Future Skills-Cluster in der Metall- und Elektroindustrie

Gemeinsam mit IW Consult und Institut der deutschen Wirtschaft sowie in enger Kooperation mit dem TraFoNetz Nordschwarzwald haben wir insgesamt 39 Future Skills-Cluster identifiziert, die bis 2030 für die Automobil- und Zulieferindustrie, die Metallindustrie, die Elektroindustrie sowie den Maschinenbau in Baden-Württemberg relevant bleiben oder werden. Es sind Kompetenzen im Bereich Technologie und Digitalisierung, Industrielle Kompetenzen, überfachliche Kompetenzen und Kompetenzen zur Sicherstellung zentraler Geschäftsprozesse.

Top 10 der Future Skills

Betrachtet man die Top 10 der Zukunftskompetenzen (=Future Skills), so ist das Thema Künstliche Intelligenz nicht auf Platz 1, wie man möglicherweise hätte vermuten können. Sondern erst auf Platz 2. Platz 1 belegt das Thema IT-Systemsicherheit. Darunter fallen zum Beispiel Kenntnisse zu Verschlüsselungstechnologien, Firewalls oder Vulnerability Management. Aber auch Kenntnisse zur Anwendung der Datenschutzgrundverordnung. Unter KI-Kompetenzen verbirgt sich mehr als nur Kenntnisse in der Anwendung von ChatGPT und Copilot. Vielmehr sind neben Verfahren des maschinellen Lernens und Deep Learning auch das Design von neuronalen Netzwerken ein Beispiel für konkrete Anwender- und Entwicklerkompetenz. Auf Platz 3 folgen dann Kompetenzen zur emissionsfreien Produktion, etwa Kompetenzen rund um das Energiemanagement von Industrieanlagen und Produktionsprozessen. Aber auch konkrete Kenntnisse zu Umweltmanagementsystemnormen (ISO 14001).

Die meisten der Top 10 sind Kompetenzen im Bereich Technologie und Digitalisierung, zusätzlich wächst der Bedarf an Resilienzkompetenzen (Stichworte Belastbarkeit und Stressbewältigung), Kompetenzen im Projektmanagement, Unternehmensführung und Leadership (Stichworte Agile Arbeitsweisen, Führungsfähigkeiten oder Business Development) sowie industrielle Kompetenzen im Bereich Alternativer Automobilantrieb.

Die Top 10 eint, dass sie laut Modellrechnung und Experteneinschätzung bis 2030 Wachstumsraten zwischen 39 und 54 Prozent verzeichnen. Freilich kommt es immer auch auf den Ausgangswert an. So wurden Kompetenzen zum Thema Künstliche Intelligenz im Jahr 2023 nur in 1,5 Prozent der ausgewerteten Stellenanzeigen gesucht, Kompetenzen im Bereich IT-Systemsicherheit in 5,8 Prozent der Stellenanzeigen. Es müssen also auch im Jahr 2030 längst nicht alle Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie über KI-Entwicklungs- und Anwendungskompetenzen verfügen. Es lohnt aber der genaue Blick, um die richtigen Ableitungen aus der Studie zu treffen. Die Ergebnisse der Future Skills-Studie spiegeln die Gesamtheit der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg wieder. In einzelnen Branchen oder Unternehmen kann sich der gegenwärtige und zukünftige Bedarf gänzlich anders darstellen.

Die Future Skills-Studie der AgenturQ – Mehr als 39 „Buzz Words“

Die vorangegangenen Absätze haben es bereits gezeigt. Wir bieten nicht nur Schlagwörter („KI wird wichtig!“), sondern zeigen dank der Arbeit der Autorinnen und Autoren auch auf, was wir damit meinen. Und auch, wen die Future Skills wohl betreffen werden. In der Studie findet sich zu jedem Skills-Cluster eine Erläuterung und beispielhafte Skills. Zusätzlich findet man unter www.futureskills-bw.de zu jedem einzelnen Future Skills-Cluster noch separate Kompetenzsteckbriefe mit weiterführenden Informationen.

Was sind denn eigentlich Future Skills?

Viele verwenden den Begriff Future Skills und meinen damit häufig unterschiedliche Dinge. Die Autorinnen und Autoren unserer Studie verstehen Kompetenzen als Fähigkeiten, Fertigkeiten, Wissen und Kenntnisse, persönliches Mindset und Verhaltensweisen, über die eine Person zur Erfüllung beruflicher Aufgaben verfügt oder verfügen muss. Zukunftskompetenzen (=Future Skills) sind in ihrer Definition jene Kompetenzen, die heute schon wichtig sind und auch in Zukunft wichtig bleiben sowie jene Kompetenzen, die zukünftig an Bedeutung gewinnen werden, auch wenn sie heute noch keine oder nur eine geringe Relevanz haben.

Und wie misst man Future Skills?

Jede Methode hat ihre Schwachstellen. Doch sind weder Zeitreisen möglich noch der Blick durch eine Glaskugel. Eine Option wäre noch eine Befragung von Expertinnen und Experten und die Abfragung ihrer Einschätzung, was wohl Future Skills sein werden. Aber auch die können nicht in Zukunft schauen, zumal wären ihre Antworten möglicherweise subjektiv verfälscht. Bleibt also nur, mit den Daten zu arbeiten, die man hat. Anerkannt ist die Methode, Online-Stellenanzeigen zu untersuchen, da die Daten einfach erhältlich sind und zudem einen repräsentativen Blick auf die Gesamtbranche bieten. Kritikern, die nun einwenden, dass man nicht mit Stellenanzeigen aus der Vergangenheit in die Zukunft schauen kann, kann man entgegnen, dass die Unternehmen eben mit diesen Anzeigen ihre Fachkräfte für die Zukunft suchen und entsprechend das Stellenprofil auf zukünftige Anforderungen auslegen.

Im konkreten Fall unserer Future Skills-Studie wurden für die Identifikation der Zukunftskompetenzen über die Jahre 2018 bis 2023 hinweg mehr als 10 Millionen Online-Stellenanzeigen verschiedener Quellen (z.B. Stepstone, indeed, Bundesagentur für Arbeit) mittels Machine Learning Verfahren analysiert. In den Online-Stellenanzeigen wurden über 12.000 Einzelkompetenzen identifiziert, die durch statistische, KI-gestützte und manuelle Verfahren zu 39 Future Skills-Cluster in den vier beschriebenen Kategorien zusammengefasst wurden. Die Ergebnisse wurden schließlich in Experteninterviews und -workshops validiert und das Modell über das Jahr 2024 hinweg berechnet. Mehr Infos finden sich in einem separaten Methodenbericht unter www.futureskills-bw.de.

Übertragbarkeit der Ergebnisse

Unsere Future Skills-Studie nimmt die Metall- und Elektroindustrie in den Fokus. Aber viele Gespräche bestätigen unsere Annahme, dass die meisten der 39 identifizierten Future Skills-Cluster auch für andere Branchen Gültigkeit besitzen. Einzig einige in der Studie beschriebenen industriellen Kompetenzen werden hauptsächlich in der Metall- und Elektroindustrie benötigt. Aber auch Zukunftskompetenzen im Bereich Alternativer Automobilantrieb,  Autonomes Fahren oder Fahrzeugbau & Montage werden nicht ausschließlich in der Automobil- und Zulieferindustrie benötigt, sondern auch im KFZ-Handwerk und Handel. Überfachliche Kompetenzen, Kompetenzen zur Sicherstellung zentraler Geschäftsprozesse oder auch Kompetenzen im Bereich Technologie und Digitalisierung werden jedoch in allen Branchen benötigt.

Man muss jedoch hinter die Überschriften schauen und mit Hilfe der Kompetenzsteckbriefe genau definieren, welche konkreten und möglicherweise branchenspezifischen Zukunftskompetenzen sich beispielsweise hinter dem Begriff „Industrial Engineering“ verbergen. Und häufig wird der Branchenblick nicht ausreichen. Letztlich muss man das einzelne Unternehmen oder gar einzelne Werksbereiche betrachten, um die benötigten Zukunftskompetenzen trennscharf zu definieren.

Natürlich lassen sich die Ergebnisse der Studie auch in Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie in anderen Bundesländern anwenden. Ob Bosch oder Continental, Mercedes oder VW, die Herausforderungen sind die gleichen. Die Future Skills-Studie wird sogar schon von einem Unternehmen der Stahlindustrie angewendet, um zukünftige Kompetenzanforderungen zu identifizieren. Und der Schiffsbau bei der Meyer Werft in Papenburg in Ostfriesland hat so gar nichts zu tun mit der Porsche Produktion in Stuttgart. Doch die benötigten Zukunftskompetenzen werden fast identisch sein, inklusive den Themen Alternative Antriebe und Autonomes Fahren.

Bis auf die industriellen Kompetenzen lassen sich Ergebnisse unserer Studie auch für die meisten Bürotätigkeiten anwenden. Und auch wenn die Berufe so gar nichts mit der Metall- und Elektroindustrie zu tun haben, so benötigen beispielsweise auch Beschäftigte in der Pflege oder in Krankenhäusern mehr und mehr technologische und digitale Kompetenzen, ebenso wie Kompetenzen zur Sicherstellung zentraler Geschäftsprozesse. Von überfachlichen Kompetenzen ganz zu schweigen. In allen Berufen muss die Weiterbildung stärker an der Zukunft ausgerichtet werden.

Future Skills – Nicht nur ein Thema für die Weiterbildung

Eines ist an dieser Stelle auch wichtig zu benennen. Wir dürfen bei der Vermittlung der benötigten Future Skills nicht nur an die Vollzeitbeschäftigten mit abgeschlossener Berufsausbildung oder einem Studienabschluss denken. Man muss auch diejenigen in den Blick nehmen, die dem Arbeitsmarkt aus unterschiedlichen Gründen nicht zur Verfügung stehen. Es ist beispielsweise Aufgabe der beruflichen Rehabilitationen, Future Skills zu vermitteln, um den (Wieder-) Einstieg in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Mit allen Problemen, die damit verbunden sind. Und Eltern, die nach längerer Erziehungspause zurück an den Arbeitsplatz kehren, müssen Unternehmen es ermöglichen, die für ihre Tätigkeiten benötigten (Zukunfts-) Kompetenzen zu erwerben.

Mit der Studie nehmen wir die Zeit bis 2030 in den Blick. Kurz davor, im Frühjahr 2029, werden die Jugendlichen ihre 3,5-jährige Ausbildung beenden, die aktuell in der Abschlussklasse ihrer Schule sind. Das macht deutlich, dass die Future Skills natürlich auch in der Berufsausbildung Berücksichtigung finden müssen und werden. Und nicht nur dort: Sie müssen auch ein Thema in der Berufsorientierung sein – Berufe verändern sich durch die Future Skills und werden attraktiver. Ebenso müssen Future Skills in der MINT-Förderung vermittelt werden, wie auch in der frühkindlichen Bildung.

Die Future Skills-Studie als Sprungbrett: Entwicklung einer Weiterbildungsstrategie

Häufig berichten uns Unternehmen, dass es ihnen schwer fällt, Zukunftskompetenzen zu definieren und daran ihre Weiterbildungsangebote auszurichten. Ihnen möchte die AgenturQ mit der Studie eine Orientierung bieten. Die Ergebnisse sollen dazu dienen, die eigenen Kompetenzanforderungen für die Zukunft zu definieren und daraus eine Weiterbildungsstrategie zu entwickeln, die sich nicht am Ist-Zustand sondern am Soll-Zustand orientiert. Das ist nicht einfach, vor allem wenn noch Unklarheit über zukünftige Geschäftsmodelle und Produkte besteht. Aber den Kopf in den Sand stecken, ist keine Alternative. Denn die benötigten Qualifikationen sollten im besten Fall vorausschauend aufgebaut werden und nicht erst, wenn der erste Auftrag für das neue Produkt eingeht.

Die Definition der Zukunftskompetenzen ist der Startpunkt für die Entwicklung einer Weiterbildungsstrategie. Dabei geht es nicht nur um die Inhalte von passenden Weiterbildungsbausteinen. Es geht auch um die Frage, wie man rechtzeitig den Wissenstransfer von sogenannten Baby-Boomern zu jüngeren Kolleginnen und Kollegen organisiert, bevor erstere in den Ruhestand gehen. Auch sollte erhoben werden, welche informellen Kompetenzen im Unternehmen vorhanden sind, auf denen man durch entsprechende Weiterbildungsmaßnahmen aufbauen kann. Wenn diese nicht selbst innerbetrieblich angeboten werden, geht es darum, auf dem riesigen Weiterbildungsmarkt die richtigen Qualifizierungsmaßnahmen auszuwählen. Und und und … Die Future Skills-Studie der AgenturQ ist erst der Start der Weiterbildungsanstrengungen. Sehr gerne unterstützt die AgenturQ Unternehmen und Betriebsräte hierbei.