21. Dezember 2020  |  
Hans Hooss

Digitale Qualifizierung? – Weiterbildung 2021 gestalten

ANALYSE UND EMPFEHLUNGEN

Corona wirft viele Fragen auf, was die Organisation und Durchführung von Weiterbildung 2021 betrifft. Das merken Sie auch bei uns auf dem Blog: Wir haben uns Gedanken darüber gemacht, ob Online wirklich das neue Normal ist: Wird das Lernen eine rein digitale Qualifizierung? Wir haben die Frage gestellt, wie die Zukunft der Weiterbildung aussieht. Auch auf anderen Blogs beschäftigt man sich damit. Karl-Heinz Pape schreibt zum Beispiel Präsenzlernen geht nicht mehr – Das ist auch gut so. Ganz anders lautet das Fazit des Interviews von epale mit Prof. Dr. Jutta Franz: Erwachsenenbildung lebt von Präsenz. Im Human Resources Manager blickt man dagegen schon in die Zukunft und auf die HR-Trends 2021.

Eines haben alle Beiträge aber gemeinsam: Es geht nicht um ein Gegeneinander der beiden Lernformen. Es geht darum, wann online und wann vor Ort gelernt wird. Es geht darum, dass sich beide Wege gut ergänzen. Wie so oft gibt es kein einfaches Schwarz-Weiß. Was aber fangen wir mit dieser Erkenntnis an, wenn wir im Januar wieder ans Werk gehen? Was erwartet uns überhaupt im Jahr 2021?

Wirtschaftliche Erholung

Das ifo-Institut geht in seiner Dezemberprognose davon aus, dass uns zumindest ein „Lockdown light“ noch bis März 2021 begleitet. Trotzdem rechnen die Forscher damit, dass sich die Wirtschaft schnell erholt. Damit verbinden sie auch steigende Investitionen. Gleichzeitig scheint es unwahrscheinlich, dass die Arbeitslosenzahlen stark steigen werden.

Das US-amerikanische Marktforschungsunternehmen Forrester empfiehlt in seinem Europa-Bericht auf Kreativität, Anpassungsfähigkeit und die schnelle Nutzbarmachung von Technologien zu setzen. Dann, so meinen die Autoren, kommt ein Unternehmen gut aus der Krise. Gerade im Bereich IT sind ihnen drei Dinge wichtig: Die IT soll funktionsübergreifend handeln. Sie soll die Erfahrung der Mitarbeitenden nutzen und in sie investieren. All das kann auf andere Bereiche übertragen werden. Die Marktforscher sehen in diesem Vorgehen die Möglichkeit einen Wettbewerbsvorteil zu schaffen. Auch der Zukunftsforscher Matthias Horx sieht die Krise als Chance für mehr Innovation. Wir sind aus unserer Komfortzone gefallen. und können nun alte Muster überwinden, so der Zukunftsforscher.

Die Arbeitslosigkeit steigt nur wenig. Die Mitarbeitenden bleiben in den Unternehmen. Die Wirtschaft wird sich absehbar erholen. Dafür brauchen wir Kreativität und Innovation. Müssen wir also nicht jetzt die Beschäftigten auf diese Zeit vorbereiten?


Veränderter Arbeitsort

Wenn wir über den Lockdown sprechen, müssen wir auch über das Homeoffice sprechen. Die Studienergebnisse dazu sind überraschend eindeutig. Forrester erwartet, dass 2021 mindestens ein Drittel der Beschäftigten ( fast achtmal mehr als 2019!) vollständig aus dem Homeoffice arbeiten werden. Ähnliche Zahlen nennt der Digitalverband Bitkom. Die Ergebnisse der Konstanzer Homeoffice-Studie zeigen uns, dass sich knapp die Hälfte der Befragten zwei bis drei Tage mobile Arbeit pro Woche wünschen.

Die Mischung aus Präsenz- und Remote-Arbeit wird in Zukunft der Standard. Wie wird (digitale) Qualifizierung beiden Welten gerecht? Wie bauen wir Kompetenzen für beide Welten auf?


Digitalere Qualifizierung

Durch die Pandemie hat sich in der Weiterbildung schon einiges verändert. Eine Studie des Stifterverbandes zeigt, dass vor Corona nur 35 Prozent aller Qualifizierungsmaßnahmen digital durchgeführt wurden. Inzwischen liegen wir bei 54 Prozent . In Zukunft wollen die Unternehmen in der Weiterbildung 50+Prozent digital gestalten. Bestehende Konzepte für Präsenzveranstaltungen sollten dabei nicht eins zu eins in die digitale Qualifizierung übernommen werden.

Nach wie vor wird Qualifizierung als sehr wichtig eingeschätzt. Gleichzeitig haben gemäß einer IAB-Studie 60 Prozent der weiterbildungsaktiven Unternehmen Veranstaltungen wegen der Pandemie abgesagt. Kurzarbeit wird nur wenig für die Qualifizierung genutzt. Ein Grund dafür sind wirtschaftliche Schwierigkeiten der Unternehmen.
Der Stifterverband hat herausgefunden, dass sich die Weiterbildungsausgaben bei der Hälfte der Betriebe nicht verändert hat. Bei gut einem Fünftel der Firmen sind sie sogar gesunken. Auch das IAB beobachtet gesunkene Investitionen bei der Weiterbildung.

Digitale Qualifizierung verbreitet sich, die verfügbaren Ressourcen bleiben begrenzt. Wie wird Weiterbildung durch bzw. trotz dieser Entwicklungen ihrer Bedeutung gerecht?


Unklare Zukunftskompetenzen

Der Stifterverband meint, wir sind mit einem „Fähigkeitswandel“ (S. 10) konfrontiert. Der Verband hat herausgefunden, dass während der Pandemie drei „Zukunftsfähigkeiten“ im Fokus der Weiterbildung standen. Das sind die digitale Interaktion, das digitale Lernen und „Digital Literacy“ (etwa Digitales Verständnis). Die Frage, wie die digitale Zusammenarbeit gestaltet werden kann, stellt auch der Human Resources Manager. Für die Autoren dort ist das stetige Lernen einer von vier Personal-Trends für 2021. Auch das IAB meint, dass Beschäftigte durch den technologischen Wandel mehr digitale, aber auch mehr soziale und fachliche, Fähigkeiten aufbauen müssen.
Gleichzeitig geben 60% der Unternehmen an, nicht zu wissen, welche Kompetenzen ihre Beschäftigten haben. Unklar bleibt auch, welche Fähigkeiten in Zukunft benötigt werden.

Das Bild der nötigen Zukunftsfähigkeiten bleibt unscharf. Betriebe stehen vor vielen Fragezeichen. Wie erkennen wir Kompetenzen, die wir im Unternehmen aufbauen müssen?


Übersehene Zielgruppe

Eine wichtige Frage für 2021 ist: Wie qualifizieren wir Beschäftigte in der Produktion? Wie profitieren sie von der digitalisierten Weiterbildung? Ein Großteil der Qualifizierungs-Diskussion (Stichwort Homeoffice) konzentriert sich auf die Büroarbeit. Werfen wir einen Blick auf die Zahlen: In Baden-Württemberg arbeitet fast ein Viertel der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Bereich der Fertigung*. Dieser Anteil hat sich in den vergangenen Jahren kaum verändert.

Welche Probleme und Herausforderungen hatten sie in der Pandemie? Wann, wie und wo müssen sie für die Zukunft weitergebildet werden? Gerade diese Berufsgruppen haben ein sehr hohes Substituierbarkeitspotenzial. Das heißt, viele Tätigkeiten, die diese Menschen erledigen, können durch Technologie ersetzt werden. Diese Zielgruppe muss also qualifiziert werden – auch, um Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Gleichzeitig ist es diese Gruppe, die häufig nur schwer Zugang zu digitalen Technologien und Lernangeboten hat.

Die Produktion ist ein wichtiger Teil unserer Wirtschaft und unseres Arbeitsmarktes. Was müssen wir den Beschäftigten dort anbieten, um Sie für die (digitale) Zukunft fit zu machen?


Weiterbildung 2021

1. Die beste Zeit ist jetzt

Die beste Zeit ist jetzt. Dass Lernen und Weiterbildung gerade nicht passen, kann man immer sagen. Die Frage ist: Wie wichtig ist das Thema im Unternehmen? Wie wichtig ist es den Beschäftigten? Gehen Sie in den Dialog. Was treibt die Leute um? Welche Herausforderungen stehen 2021 an? Passen Sie heute schon ihr Qualifizierungsangebot darauf an. Dann sind Sie den Wettbewerbern am Ende eine Nasenlänge voraus.

2. Machen Sie Weiterbildung attraktiv

Unsere Welt ist komplexer geworden. Darum gilt: Denken Sie Weiterbildung weiter. Planen Sie so oft wie möglich mit einem hybriden Setting – verbinden Sie also die digitale und die analoge Welt. Bauen Sie Ihr Angebot an orts- und zeitunabhängigen Lernangeboten aus. Das können formale E-Learnings, kurze Videos, ungezwungene Podcasts und noch viel mehr sein. Machen Sie Weiterbildung attraktiv. Passen Sie sie soweit wie möglich auf den Alltag der Beschäftigten an. Dann ist es auch kein großes Problem mehr, wenn einige Mitarbeitende im Büro sind, andere aber im Homeoffice. Digitale Qualifizierung erreicht sie alle.

3. Nutzen Sie bestehende Lerninhalte

Digitale Angebote sind wie gemacht für den Umgang mit begrenzten Ressourcen. Einmal erstellt, kann man sie ohne weitere Kosten immer und immer wieder nutzen. Binden Sie außerdem Ihre eigenen Expertinnen und Experten ein. Sie wissen oft am besten, was im Betrieb benötigt wird. Bestimmt gibt es Talente, die ihr Wissen auch gut vermitteln können. Nutzen Sie bestehende Lerninhalte. Einerseits können Sie auf kostenpflichtige Lernplattformen zurückgreifen. Andererseits gibt es viele kostenfreie Open Educational Resources. MOOCs und vieles mehr. Machen Sie Ihren Mitarbeitenden diese Inhalte zugänglich.

4. Verbinden Sie die Weiterbildung mit der Strategie

Verbinden Sie die Weiterbildung mit der Strategie. Bestimmt gibt es auch in Ihrem Unternehmen Menschen, die sich darüber Gedanken machen, wohin sich das Geschäft im nächsten Jahr, in den nächsten zwei Jahren, in den nächsten fünf Jahren entwickelt. Nehmen Sie Antworten, die darauf gefunden werden. Welche Kompetenzen braucht es dafür? Ja, das ist anstrengend. Ja, das bedeutet Aufwand. Aber Sie sorgen so dafür, dass Weiterbildung die Belegschaft tatsächlich darauf vorbereitet, was kommt. Zumindest ist es die bestmögliche Annäherung. Schließlich kann niemand in die Zukunft schauen. Oder hätten Sie vor einem Jahr gedacht, dass eine Pandemie große Teile unseres Lebens beeinflusst?

5. Schaffen Sie einfache Lernangebote

Wie digital ist Ihre Produktion? Wie digital wird Sie bald sein? Welche Anforderungen stellen Sie an Ihre Leute dort? Fühlen die Betroffenen sich darauf vorbereitet? Wie würden sie sich gerne dafür vorbereiten, dafür lernen? Schaffen Sie gezielt einfache Lernangebote. Das sind vielleicht Lerneinheiten, die wichtige Themen zusammenfassen. In denen man auch mal etwas ausprobieren kann. Die zugänglich machen, was Digitalisierung oder Transformation für das eigene Unternehmen heißt. Bieten Sie alles auf, was geht, um einen sogenannten Digital Divide im Unternehmen zu vermeiden. Ein Weg, Berührungsängste abzubauen, sind speziell dafür erstellte Lernformate. Ein anderer Weg ist es, digitale Formate in ganz kleinen Schritten einzuführen. Wichtig ist vor allem, dass niemand den Anschluss verliert.


Machen ist wie Wollen – nur krasser

Legen Sie los. Probieren Sie Neues aus. Schauen Sie was funktioniert und was nicht. Gehen Sie von da aus weiter. Jeder kleine Schritt zählt! Digitale Qualifizierung ist nicht das Non-Plus-Ultra. Wählen Sie überlegt, welche Inhalte Sie auf welchem Weg vermitteln. Dabei kann Ihnen das „Framework für Qualifizierungen“ helfen, das vom Stifterverband und McKinsey erstellt wurde.

Das Schaubild fasst die wichtigsten Punkte für erfolgreiche Weiterbildung sehr gut zusammen. Nutzen Sie es doch einfach mal und fragen Sie sich zu jedem Punkt: Wo stehen wir? Was wissen wir dazu? Alleine damit können Sie schon viele Erkenntnisse sammeln. Umso einfacher ist dann der Start in die Umsetzung.
Viel Erfolg dabei!

*Gemäß Angaben der Bundesagentur für Arbeit (Stand Mitte 2019) arbeitet eine gute Million von etwas über vier Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Baden-Württemberg in Fertigungs- bzw. fertigungstechnischen Berufen.