11. Mai 2020  |  
Gastbeitrag

Führung 4.0 – wesentliche Grundlage für eine Weiterbildungs- und Lernkultur in Industrieunternehmen

Die Führungskraft trägt große Verantwortung für die Weiterbildungs- und Lernkultur im Unternehmen. Sie muss Weiterbildungsbedarfe erkennen, Weiterbildungsmaßnahmen anbieten, Lernräume eröffnen und Mitarbeitende fördern. Wie sich angesichts der Transformation der Arbeitswelt Führungsverhalten verändert, zeigt in diesem Beitrag unsere Gastautorin Dr. Katharina Mattes auf.

„Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen.“ – Aristoteles

Die Digitalisierung in der Industrie ist längst kein Strohfeuer mehr, sondern in den Unternehmen angekommen. Die digitale Transformation der Industrie verändert die Arbeitswelt jedoch massiv und stellt neue Anforderungen an die berufliche Weiterbildung. Welche Stellhebel müssen bedient werden, damit die berufliche Weiterbildung in Industrieunternehmen gelingt?

Führung in Zeiten der digitalen Transformation

Die digitale Transformation sichert die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen. Sie erfordert jedoch auch, dass Unternehmen bewährte Erfolgskonzepte auf den Prüfstand stellen, Prozesse optimieren, neue Strategien entwickeln und über neue Geschäftsmodelle nachdenken. Themen wie Condition Monitoring für Predictive Maintenance oder datengetriebene Produktionsoptimierung werden immer relevanter. Gleichzeitig dreht sich alles um Innovation, Geschwindigkeit und Veränderung. Diese Entwicklungen sind im internationalen Wettbewerb und vor dem Hintergrund einer nachlassenden Konjunktur wichtig, führen allerdings zu massiven Veränderungen für Unternehmen und Beschäftigte und bedürfen entsprechende berufliche Weiterbildungsmaßnahmen.

Die Führungskräfte sind dafür verantwortlich, dass die für die digitale Transformation notwendigen Fähigkeiten und Fertigkeiten mit geeigneten Weiterbildungsformaten vorangebracht werden. Vor allem, um die individuelle Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeiter zu gewährleisten. Hierzu muss eine Unternehmenskultur in den Unternehmen geschaffen werden, die der Weiterbildung und dem lebenslangen Lernen eine hohe Bedeutung zumisst. Veränderungsprozesse sind Voraussetzung für die Schaffung solch einer zukunftsfähigen Weiterbildungs- und Lernkultur in Industrieunternehmen. Was begünstigt solch eine zukunftsfähige Weiterbildungs- und Lernkultur? Neben der Selbstverantwortung sind organisationale und strukturelle Aspekte zu betrachten. Darüber hinaus ist die Unternehmens- und Führungskultur ausschlaggebend. Denn zu den zentralen Aufgaben wirksamer Führung zählen laut Fredmund Malik die Entwicklung und Förderung der Mitarbeiter sowie das Festlegen von Zielen. Mit diesem Blogbeitrag wird daher die Fragestellung aufgegriffen, welche Anforderungen an eine zukunftsfähige Führung zu stellen sind und wie sich Führung in Zeiten der digitalen Transformation verändert.

Das Fithalten der Unternehmensorganisation in einer zunehmend vernetzten und volatilen Umgebung ist ein kontinuierlicher Prozess. Die Anforderungen für das Management nehmen zu. Entscheidungen müssen schneller getroffen werden und unter Ungewissheit gefällt werden. Die Rolle der Geschäftsführung ist dabei eine Balance-Akt. Gleichzeitig müssen der Wandel gestaltet und Stabilität gegeben werden. Die Führung sollte dabei sowohl die extern gegebenen Rahmenbedingungen als auch die Bedürfnisse der Mitarbeiter im Blick haben. Ebenso sollte die Spannweite an unterschiedlichen Charakteren der Mitarbeiter adressiert werden, und zwar mit zielgruppenspezifischen Informationen und Botschaften. Zum einen die Gruppe der Personen, die nach Aufbruchsstimmung und kontinuierlicher Veränderung strebt – diese wird übrigens für die Gestaltung des digitalen Wandels benötigt. Zum anderen die Gruppe, die Stabilität bedarf. Bei der Kommunikation ist zu beachten, dass beide Gruppen gleichwertig behandelt werden.

Um Verunsicherungen der Mitarbeiter abzubauen, die gerade in Zeiten von Veränderung und Innovation entstehen können, sind langfristige Perspektiven aufzuzeigen. Dabei ist auf Stringenz, notwendige Visionen und vorausschauendes Handeln zu achten. Durch Digitalisierung und Vernetzung sowie neue Geschäftsmodelle nimmt die Schnelligkeit hinsichtlich der Veränderungen zu, unterschiedliche Technologien und Disziplinen werden miteinander verheiratet und die Komplexität im Unternehmen gewaltig gesteigert. Diese Unsicherheiten müssen gemanagt werden. Ein wesentlicher Teil ist eine offene, hierarchiearme und kooperative Kommunikation sowie der Dialog mit den Mitarbeitern. Eine auf Konsens basierende Dialogkultur ist ungemein wichtig. Mit den Botschaften der Führungskräfte soll Orientierung vermittelt werden. Zudem sollen diese sowohl „Kopf als auch Bauch“ adressieren und Verunsicherungen reduzieren. Darüber hinaus müssen Ziele definiert werden, die kontinuierlich überprüft, bei Bedarf angepasst und regelmäßig an die Belegschaft kommuniziert werden. Von Bedeutung sind Mehrwert und Nutzen dieser Ziele, um die Mitarbeiter bei der digitalen Transformation mitzunehmen.

Im Gegensatz zu früher ist es heute und zukünftig die Aufgabe von Führungskräften zu moderieren und zu koordinieren. Sie führen das „große Ganze“ zusammen. Indem die Führungskräfte Orientierung bieten und Freiräume für Mitarbeiter schaffen, wird das Innovationspotenzial der Mitarbeiter besser genutzt. Hierzu muss eine Vertrauenskultur etabliert und Verantwortung übertragen werden. Partizipation und gemeinsames Gestalten ist entscheidend für den Erfolg von Veränderungsprozessen und eine zukunftsfähige Lernkultur. Die Führungskraft nimmt dabei eher die Rolle eines Coaches ein, der die notwendigen Rahmenbedingungen für eine innovative Lernumgebung schafft und die Mitarbeiter entsprechend entwickelt, fördert, ermutigt und befähigt. Gleichwohl muss „Macht“ nach unten verlagert und dezentrale Entscheidungen ermöglicht werden. Im Anbetracht der benötigten Schnelligkeit sind hierarchische Prozesse teilweise nicht schnell genug. Daher ist in jedem Unternehmen zu klären, welche Entscheidungen noch „von oben“ erfolgen, was prinzipiell aber gar nicht so sein müsste und beispielsweise über Team-Entscheidungen abgedeckt werden könnte. Nicht zuletzt müssen beide Seiten müssen die Veränderungen zulassen: Zum einen müssen sich Führungskräfte auf den partizipativen Stil einlassen, zum anderen müssen Mitarbeiter lernen, selbstständiger zu denken und sich einzubringen.

Gerade für innovative Lösungsansätze und Experimente werden Freiräume benötigt sowie eine verbesserungsorientierte Lernkultur. Um aus vergangenen Fehlern zu lernen, sind entsprechende Regelkreise mit Feedbackprozessen zwischen Führenden und Geführten zu etablieren. Im Sinne der Schnelligkeit und Wirtschaftlichkeit ist dabei ist der Leitgedanke „fail fast, fail cheap“ zu verfolgen. Darüber hinaus wird die Fähigkeit zur Reflektion benötigt. Es ist wichtig, andere Perspektiven einzunehmen und bereichsübergreifend zu lernen.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Veränderung von Führung ein langfristiger Prozess ist, denn Veränderungen von Verhaltensmustern brauchen Zeit. Ebenso lässt sich die digitale Transformation nicht aufhalten, aber mitgestalten. Wenn Ängste der Mitarbeiter ernst genommen werden, dann kann die Veränderung auch gelingen!

Unterstützung durch die Allianz Industrie 4.0

Um gerade kleinere und mittlere Unternehmen bei der digitalen Transformation zu unterstützen, wurde die Allianz Industrie 4.0 Baden-Württemberg ins Leben gerufen. Denn im unübersichtlichen Industrie 4.0-Informationsdschungel fällt es oft schwer, den Durchblick zu bewahren. Bei der vom Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg geförderten Allianz Industrie 4.0 Baden-Württemberg erhalten Unternehmen einen neutralen Überblick über praxisnahe Hilfestellungen. Egal ob Fachveranstaltung, Workshop, Coaching oder individuelle Beratung, die beim VDMA Baden-Württemberg angesiedelte Allianz Industrie 4.0 Baden-Württemberg macht den industriellen Mittelstand fit für den digitalen Wandel. Mit dem geförderten Industrie 4.0 Scouting-Programm unterstützen wir beispielsweise produzierende Unternehmen bei der Identifikation von Digitalisierungspotenzialen sowie der Auswahl und Konkretisierung von geeigneten Industrie 4.0 Projekten. Ganz egal ob es dabei um die Digitalisierung von Prozessen, Produkten oder sogar ein digitales Geschäftsmodell geht.

Weiterführende Informationen:

Impulspapier: Für eine zukunftsfähige Lernkultur im Unternehmen der Plattform Industrie 4.0, https://www.plattform-i40.de/PI40/Redaktion/DE/Downloads/Publikation/Impulspapier:%20F%C3%BCr%20eine%20zukunftsf%C3%A4hige%20Lernkultur%20im%20Unternehmen.html

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichwohl für alle Geschlechter.

Dr. Katharina Mattes war bis Februar 2020 Leiterin der Koordinierungsstelle der Allianz Industrie 4.0 Baden-Württemberg und arbeitet aktuell bei der Unternehmensberatung mm1.