23. Juni 2020  |  
Hans Hooss

Informelle und non-formale Kompetenzen erkennen und sichtbar machen

Auftakt der Blogreihe

Beruflich relevantes Wissen oder Fähigkeiten und Fertigkeiten entwickeln sich nicht nur in der Schule, der Ausbildung oder in anderen (Fort-) Bildungsangeboten mit offiziellem Abschluss. Sie entwickeln sich auch vor, während und nach der Arbeit. Doch wie lassen sich solche Kompetenzen, die über das im Schul- und Berufsabschluss Beschriebene hinausgehen, für Beschäftigte und Unternehmen erkennen? Dies ist aus unserer Sicht eine wichtige Frage.

Um Beschäftigte richtig einzusetzen, ihre Potenziale zu erkennen und ihre Kompetenzen entsprechend zukünftiger Herausforderungen zu erweitern, müssen Unternehmen die Kompetenzen ihrer Beschäftigten kennen. Und hier spielen eben auch die non-formalen und informellen Kompetenzen, also Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten, die Beschäftigte sich jenseits formaler Bildungsangebote und unter Umständen sogar vielmehr in ihrem alltäglichen Tun angeeignet haben, eine wichtige Rolle. Für Unternehmen und ihre Beschäftigten ist es daher von Bedeutung, in geeigneter Form zu erheben, welche Kompetenzen vorhanden sind. Mitunter geht es auch darum solche Kompetenzen sichtbar zu machen, die Beschäftigte für andere oder weitere Tätigkeiten qualifizieren.

Die Blog-Reihe

Dieser Beitrag ist der Auftakt einer Reihe in unserem Blog, in der wir uns mit der Sichtbarmachung von non-formalen und informellen Kompetenzen auseinandersetzen. Die Blog-Reihe entsteht vor dem Hintergrund unseres laufenden Projekts AiKomPassDigital, in dem wir das bestehende Instrument AiKomPass mit Förderung des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg erweitern und modernisieren.

Dieser erste Beitrag verspricht einige Einblicke in den aktuellen Stand des Projekts AiKomPassDigital und die Überlegungen, wie sich Digitalkompetenzen systematisch erfassen lassen. Der zweite Beitrag der Reihe ist ein Gastbeitrag von Rolf Rehbold. Er ist stellvertretender Direktor des Forschungsinstituts für Berufsbildung im Handwerk an der Universität zu Köln und kann über Erkenntnisse und Ergebnisse aus dem Projekt „Valikom“ berichten. Im Projekt „Valikom“ wurde ein Verfahren entwickelt und erprobt, mit dem berufsrelevante Kompetenzen, die außerhalb des formalen Bildungssystems erworben wurden, bewertet und zertifiziert (validiert) werden können. Als drittes folgt ein Gastbeitrag von Katrin Gutschow. Sie arbeitet beim Bundesinstitut für Berufsbildung und dort in der Abteilung „Struktur und Ordnung der Berufsbildung“. In ihrem Beitrag gibt sie Einblicke in die unterschiedlichen Möglichkeiten und Ebenen der Anerkennung beruflicher Kompetenzen. Abgerundet wird die Reihe mit dem vierten Beitrag. Hier sammeln wir Meinungen aus der Praxis, wie dort mit der Erfassung von Kompetenzen umgegangen wird und was perspektivisch in der Zukunft wichtig sein wird.

Der AiKomPass

Mit dem Instrument AiKomPass lassen sich informell und non-formal erworbene Kompetenzen identifizieren und dokumentieren. Der AiKomPass zeichnet sich durch sein umfangreiches Aufgabeninventar aus den Bereichen der Arbeitsvorbereitung, Produktion, Instandhaltung sowie der Produktions- und Lagerlogistik in der Metall- und Elektrobranche aus. Nutzerinnen und Nutzer des AiKomPass wählen aus konkreten Arbeitsaufgaben all diejenigen aus, welche Sie (aktuell) können und in ihrem Berufsalltag durchführen. Außerdem sind auch die Auswahl von Tätigkeiten nicht berufsspezifischer Art, beispielsweise aus der Freizeit, sowie umfassende Angaben zum Lebenslauf möglich. Am Ende lässt sich ein aussagekräftiges und umfangreiches Profil erstellen und zum Beispiel als Grundlage für ein Qualifizierungsgespräch mit der Führungskraft nutzen. In einem solchen Qualifizierungsgespräch haben Beschäftigte und Führungskräfte gemeinsam die Möglichkeit vorhandene Kompetenzen zu bewerten, aktuelle Tätigkeiten hinsichtlich der Entwicklungsmöglichkeiten zu prüfen und potenzielle Weiterbildungsmaßnahmen zu besprechen.

Digitalkompetenzen mit AiKomPassDigital

Die aktuelle Lage in Zeiten der Corona-Pandemie hat uns intensiv und mehr denn je vor Augen geführt, wie wichtig digitale Kompetenzen bei zunehmend digitalen und mobilen Arbeitsformen sind. Auch nach Corona werden die Digitalisierung und der Wandel der Arbeitswelt in Unternehmen weiter voranschreiten. Daher ist das Wissen über vorhandene digitale Kompetenzen der Beschäftigten für Unternehmen und auch für die Beschäftigten selbst wertvoll.

Wir sind der Überzeugung, dass fast alle Beschäftigte bereits über Digitalkompetenzen verfügen. Sie haben diese im Beruf und im Privatleben erworben und sie können für die konkrete Tätigkeit im Unternehmen von Relevanz sein. Das Problem ist nur, dass sie für das Unternehmen nicht sichtbar sind. Häufig sind sich auch die Beschäftigten selbst nicht bewusst, dass sie über entsprechende informelle Kompetenzen verfügen.

Deshalb ergänzen wir den bestehenden AiKomPass im aktuell laufenden Projekt AiKomPassDigital mit der Möglichkeit Digitalkompetenzen bewusst und sichtbar zu machen. Dafür braucht es eine systematische Sammlung von digitalen Tätigkeiten, die Ausdruck digitaler Kompetenz sind und aus denen Nutzerinnen und Nutzer auswählen können. Im Kontext des Digitalen ist dies aber keine leichte Aufgabe.

Unter digitaler Kompetenz oder Digitalkompetenzen verstehe ich Kompetenzen, die einen Einsatz digitaler Technologie in angemessener Art und Weise ermöglichen. Zum Beispiel die Nutzung von Instant Messaging, wie Whatsapp, für kurze Nachrichten an andere. Ein anderes Beispiel: Über unser Smartphone können wir beruflich wie privat E-Mails schreiben und mit anderen kommunizieren.

Es wird deutlich, dass die Grenzen zwischen beruflichen und privaten Tätigkeiten verschwimmen. Deshalb unterscheide ich bei der Systematisierung von Digitalkompetenzen nicht zwischen beruflichem und privatem. Stattdessen werden verschiedene Tätigkeiten beschrieben, die sich weiter konkretisieren lassen und in die sich digitales Handeln grob einteilen lässt.

An den Unterpunkten in den Feldern können Sie schon einige Beispiele digitaler Tätigkeiten erkennen. Für ein aussagekräftiges Tätigkeitsprofil und damit auch verlässliche Informationen reicht diese grobe Aufteilung natürlich nicht aus. In der weiteren Entwicklung von AiKomPassDigital beabsichtigen wir daher, konkrete Tätigkeiten zu formulieren, die sich auch durch eine unterschiedliche Komplexität ausweisen. Es macht eben einen Unterschied, ob ich Dateien über E-Mail und vergleichbare Programme teile oder ob ich Dateien dank Cloud-basierten Anwendungen für Kolleginnen und Kollegen zugänglich und bearbeitbar mache.

AiKomPassDigital wird ein Instrument, mit dem sich neben seinen bereits bestehenden Möglichkeiten auch die Digitalkompetenzen systematisch anhand von konkreten Tätigkeiten identifizieren und dokumentieren lassen. Nutzerinnen und Nutzer können sich dank des flexiblen Aufbaus des Instruments lediglich auf die Digitalkompetenzen fokussieren und mit dem AiKomPassDigital ausschließlich diese erfassen.

AiKomPassDigital zusammen mit der Praxis

Um die verschiedenen, in den Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie vorhandenen und relevanten digitalen Tätigkeiten zu erheben und zu diskutieren, suchen wir die Kooperation mit Unternehmen. Das zunehmend digitaler werdende Arbeiten in den produktionsnahen Bereichen wollen wir durch AiKomPassDigital realitätsnah abbilden. Ziel ist es, gemeinsam mit Unternehmen, Betriebsräten sowie Expertinnen und Experten umfassend die digitalen Tätigkeiten zu sammeln, die Ausdruck benötigter Digitalkompetenz sind. Gerne passen wir den AiKomPassDigital im Verlauf des Projekts an ihre unternehmensspezifischen Herausforderungen an.

Verstehen Sie sich als Expertin oder Experte digitaler Organisation oder Kommunikation? Oder fallen Ihnen konkrete Tätigkeiten in einem der anderen gezeigten Felder digitalen Handelns ein? Dann freuen wir uns über Ihren Input! Falls Sie darüber hinaus Interesse daran haben, sich am Projekt AiKomPassDigital zu beteiligen und unmittelbar von der Entwicklung zu profitieren, freue ich mich über Ihre Kontaktaufnahme via E-Mail an oder unter der Telefonnummer 0711 / 36 59 188-18.

So geht es weiter

Dies war nun der Auftakt und der erste von vier Blogbeiträgen zur Sichtbarmachung von non-formalen und informellen Kompetenzen. Freuen Sie sich auf den kommenden Blogbeitrag von Rolf Rehbold und seine Erfahrungen zur Anerkennung von Kompetenzen, die außerhalb des formalen Bildungssystems erworben wurden.