17. September 2018  |  
Hans Hooss

Irgendwas mit Medien?

Wie effektive Führung in der digitalen Wirtschaft aussieht und wie revolutionär sie wirklich ist.

Ein Beitrag von Matthias Binder – Referent der AgenturQ

Digitale Wirtschaft, Industrie 4.0, Internet of Things, das alles verheißt revolutionär anderes Arbeiten, eine radikal andere Zukunft. Und wenn diese Zukunft für ein Unternehmen erfolgreich sein soll, müssen doch auch seine Führungskräfte revolutionär anders handeln. Richtig?

Falsch!
Obwohl – nicht ganz.
Aber von Anfang an.

Eines ist schon lange klar: Führungskräfte haben einen ganz erheblichen Einfluss auf ihre Mitarbeiter. Zum Beispiel auf ihre Einstellung zu Weiterbildung, wie in unserem letzten Post nachzulesen ist. Genauso ist inzwischen aber klar: DIE EINE richtige Art zu führen gibt es wohl nicht. Dafür sind Organisationen und Menschen (glücklicherweise) zu vielfältig. Was es aber gibt sind Leitlinien. Und gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen, die die Wirksamkeit bestimmter Führungsstile beeinflussen.

Gehen wir einmal davon aus, dass eine digitale Wirtschaft Realität ist – oder bald wird. Ein solches Wirtschaftssystem ist wesentlich geprägt von digitaler Technologie, die sich auch noch rasant ändert. Komplexität und Mehrdeutigkeiten bestimmen die Entwicklungen. Um mit all dem Schritt zu halten, müssen Unternehmen Innovationen hervorbringen.

Zumindest müssen das bestimmte Teile des Unternehmens tun (denken Sie an die Produktentwicklung, das Marketing, …). Wenn wir nun solche Bereiche und Abteilungen, die stark geprägt und beeinflusst sind, von diesen Entwicklungen betrachten: Was heißt das dann für Führungskräfte? Welche Leitlinien gelten für sie?

Das PAN-Konzept der Führung in der digitalen Wirtschaft

2017 wurden im Rahmen einer Masterarbeit 22 Führungsexperten und Führungskräfte dazu interviewt. Ziel war es, herauszufinden, welche Glaubenssätze die Arbeit der Führungskräfte prägen. Im Ergebnis steht das PAN-Konzept mit drei zentralen Dimensionen digitaler Führung.

Persönliche und wertschätzende Beziehung

Zentrale Glaubenssätze:

– »Der Mensch ist ein sozial-emotionales Wesen.«
– »Erfolgreiche Führung erfordert Vertrauen. Dafür muss ich Mitarbeitende auch ein Stück weit „persönlich“ kennen.«

 

Im Tun verschmelzen beide Glaubenssätze. Beispielsweise bauen die Führungskräfte über informelle Gespräche bei einer Tasse Kaffee – die sich auch mal um die Kinder oder den Geburtstag der Frau drehen – Vertrauen auf. Sie fragen nach und hören zu, eben auch mal über den unmittelbaren Arbeitskontext hinaus. die, die erstmal nichts mit der Arbeit zu tun haben. Damit tragen sie der Bedeutung emotionaler Aspekte (Empathie!) für den Mitarbeitenden, für sein Vertrauen und auch für seine Leistung Rechnung.

Dieses Vertrauen (der Mitarbeitenden) hilft Mitarbeitenden nicht nur dabei selbst mutig entscheiden zu können und zu wollen. Vielmehr sorgt es auch dafür, dass die Führungskraft über den tatsächlichen Projektstand informiert ist. Und nicht etwa übermäßig positive Berichte erhält – bis es zu spät ist.

Dafür sorgt sie auch durch eine transparente und wertschätzende Kommunikation. Durch den Verzicht auf Salami-Taktik und Wutausbrüche erhält und fördert sie die sozial-emotionale Verbindung zu den Mitarbeitenden und schafft so ein innovationsfreundliches Umfeld.

Begleitete Autonomie

Zentrale Glaubenssätze:

– »Mitarbeitende können und wollen gute Leistung bringen.«
– »Die Führungskraft ist nicht allwissend. Und muss es auch nicht sein.«

 

Die Führungskräfte erkennen die „neue“ Realität an: Angesichts der hohen Komplexität der Arbeitswelt, kann eine Person unmöglich den nötigen Überblick behalten. Und damit kann sie auch nicht alleine entscheiden. Durch ihr Vertrauen in die Leistungsfähigkeit jedes Einzelnen delegiert die Führungskraft weitegehend Aufgaben und Entscheidungskompetenz an die Mitarbeitenden. Sie kennen ihren Arbeits- und Aufgabenbereich ohnehin am besten.

Wichtig: Die Mitarbeitenden werden nicht alleine „im Regen stehen“ lässt. Vielmehr gibt die Führungskraft der eigenständigen Arbeit des Teams einen Rahmen und zeigt die große Ziel-Vision auf. Auf dem Weg dorthin steht Sie ihren Mitarbeitenden als starker Berater und Sparringspartner zur Verfügung.

Verwechseln Sie das nicht mit einem aufgeweichten Command & Control. Die Führungskraft wird stets offen sein für Anpassungen des großen Zielbilds, auch und gerade auf Anregungen der Mitarbeitenden hin. Direktive Vorgaben werden nur gemacht, wenn im Team partout keine Entscheidung getroffen werden kann.

Kurzum: Die Führungskraft konzentriert sich auf ihre eigentliche Arbeit: Führen. Im Sinne einer digitalen Wirtschaft heißt das Orientierung geben. In den Worten einer Interviewpartnerin: „Describe Reality and give hope“.

Proaktive und unvoreingenommene Neugier

Zentrale Glaubenssätze:

– »Veränderung ist real: Es gilt jetzt zu handeln.«
– »Veränderung ist eine positive Herausforderung.«

 

 

Veränderung begreifen die Führungskräfte als Chance. Sie wollen neue Trends aktiv mitgestalten, anstatt sie passiv zu beobachten. Dafür akzeptieren, ja fordern sie sogar ungewöhnliche Ideen. Sie sind sich bewusst, dass der Vorstoß in (ganz) neue Arbeitsfelder Fehler und Fehlgänge mit sich bringen wird. Solche Fehlentwicklungen wollen sie schnell erkennen, schnell daraus lernen und dann „iterativ“ umsteuern. Wenn nötig auch ganz radikal (z.B. völlige Aufgabe eines (Teil-)Projekts trotz bisheriger Kosten).

Veränderung ist für die Führung in der digitalen Wirtschaft nichts, was Angst macht und Vorsicht verlangt. Vielmehr will sie – trotz Risiken – aktiv werden und so der Konkurrenz zuvorkommen. Ein Interviewpartner meinte dazu, dass es bei aller Unsicherheit immer Dinge gibt, die jetzt richtig und wichtig sind. Für den (Entscheidungs-)moment sollte man von diesen Annahmen ausgehen. Und dann umschwenken und sich anpassen, wenn sie sich verändern. Statt auf 3 Jahre wird kontinuierlich und entlang neuster Informationen geplant.

Nutzung digitaler Medien

Die interviewen Führungskräfte sind überzeugt: Die Digitalisierung ist eine bleibende Umwälzung – kein Trend, der einfach vorbeigeht. Umso überraschender ist, dass Führung in der digitalen Wirtschaft nicht notwendigerweise mit einer hohen Nutzung digitaler oder sozialer Medien für die Führungsarbeit einhergehen muss. Die neuen Technologien werden nicht um ihretwillen genutzt, sondern nur dann und dort, wo sie echten Mehrwert stiften. Wenn ein persönliches Gespräch, ein Telefonat, eine E-Mail… passender ist, wird eben diese Form gewählt.

Viele Führungskräfte betonten sogar den Wert, den sie auf eben diesen persönlichen Kontakt mit den Mitarbeitenden legen (s. auch Persönliche und wertschätzende Beziehung). Der Kontakt von Angesicht zu Angesicht wird von vielen – soweit möglich – weiterhin als zentraler Bestandteil von Führungsarbeit gesehen.

Digitale Führung und Weiterbildung

Insgesamt fällt auf, dass sich Führung in der digitalen Wirtschaft nach dem PAN-Konzept statt durch hohe Technikorientierung durch eine ausgesprochene Menschenorientierung auszeichnet. Das mag nicht radikal anders sein, als das bisherige Bild „guter“ Führung. Es unterstreicht aber, welche Leitlinien als besonders wichtig für eine effektive Führung in der digitalen Wirtschaft erscheinen. Angesichts der zahllosen Herausforderungen der Betriebe und steigender Komplexität, Ansprüche und Erwartungen scheint die Berücksichtigung dieser Führungsprinzipien heute so wichtig, wie selten zuvor.

Weiterbildung ist dabei gleich in doppelter Hinsicht von Bedeutung.

Zum einen gilt es Führungskräfte zu befähigen im Sinne einer digitalen Wirtschaft zu führen. Das kann einen enormen Wandel und damit viel Kraftanstrengung erfordern. Und es wird viel Zeit brauchen. Denn Glaubenssätze – grundsätzliche Haltungen und Annahmen – ändern sich nicht von heute auf morgen!

Zum anderen ist davon auszugehen, dass Führungskräfte in der digitalen Wirtschaft ihren Mitarbeitenden Weiterbildungen gewähren – sie sogar dazu ermutigen, vielleicht sogar auffordern. So wird der Mitarbeitende nicht nur in seiner persönlichen Entwicklung unterstützt, er wird auch befähigt in der notwendigen Autonomie und mit der notwendigen Neugier die Herausforderungen der digitalen Wirtschaft zu bewältigen. Denn eines ist klar: Nur wer lernt kann den immer wieder neuen Herausforderungen der digitalen Wirtschaft mittel- und langfristig gewachsen sein.

Was die spezifischen Herausforderungen der digitalen Wirtschaft sind und wie Weiterbildung dafür funktionieren kann, lesen Sie in unserem nächsten Blogbeitrag.

Bis dahin interessiert uns Ihre Meinung: Alter Wein in neuen Schläuchen oder ein wichtiger Impuls, um Veränderungen anzustoßen?

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