Ein Gastbeitrag von Christian Stamov Roßnagel, Jacobs University Bremen
Zur ‚Arbeit 4.0‘ gehöre ‚Lernen 4.0‘, höre ich häufig, neue Arbeitsformen verlangten neue Lernformen: digital, mobil, agil, individualisiert, modularisiert … Der Möglichkeiten und Entwicklungen scheinen so viele zu sein, dass bisweilen die Unsicherheit unserer Unternehmenspartner wächst, ob ihre Lernangebote auf der Höhe der Zeit seien und sie alle Möglichkeiten angemessen nutzten.
Vor diesem Hintergrund schäle ich in meinem Beitrag den ‚didaktischen Kern‘ guter Lernangebote heraus, der erfahrungsgemäß einen wirklich hilfreichen Leitfaden für die Entwicklung oder Optimierung von Lernangeboten jedweder Couleur bietet: ein konsistentes Lerndesign, orientiert am Ansatz des Constructive Alignment (z.B. Biggs, 2014). Mit einem solchen Lerndesign erschließen sich drei klare Vorteile:
- es unterstützt Lernende beim effektiven und effizienten Lernen
- es hilft Lehrenden bei der präzisen Bestimmung der zu vermittelnden Inhalte
- es erlaubt die nahtlose Verknüpfung von Lernangeboten unabhängig von Format, Plattform, oder Inhalt des Lernens.
Das richtige Lerndesign macht neues Lernen zu gutem Lernen. Werfen Sie mit mir einen Blick auf die drei Säulen des Designs für gutes Lernen.
Säule 1: Die „angestrebten Lern-Ergebnisse“
Die etwas sperrige Überschrift bezieht sich auf den Dreh- und Angelpunkt effektiver Lernangebote: die Intended Learning Outcomes. So sperrig der Begriff, so schlicht die beiden Leitfragen für die Definition von Lernergebnissen: Was sollen die Lernenden nach dem Lernen können? Und woran ist zu sehen, dass sie es können?
Betrachten wir ein Seminar aus dem Weiterbildungsangebot eines Unternehmenspartners. Unter „Lernziele“ steht dort beispielsweise: „In diesem Seminar lernen Sie die Erfolgsfaktoren des Projektmanagements kennen.“ Ein durchaus ansprechend klingendes Lernziel. Aber: was heißt „kennen“? Besser gefragt: woran sähe ein Dozent, dass die Lernenden die Erfolgsfaktoren kennen? Warum das wichtig ist, wird deutlich, wenn man die Gegenfrage stellt: Was, wenn der Dozent nicht sehen kann, ob die Lernenden die Erfolgsfaktoren kennen? In diesem Fall hat der Dozent praktisch keine Möglichkeit herauszufinden, ob die Lernenden noch weitere Unterstützung brauchen, um das Lernziel zu erreichen, oder ob er fortfahren und sich dem nächsten Lernziel zuwenden kann. Sie mögen jetzt einwenden, der Dozent könne die Lernenden einfach fragen, ob Ihnen „alles klar“ sei. Natürlich kann er das. Aber wie aussagekräftig wird die Antwort sein? Genauso wenig wie der Dozent können nämlich die Lernenden wissen, ob sie die Erfolgsfaktoren kennen – denn es wurde nicht definiert, was „kennen“ heißen soll. Wer nicht völlig auf dem Schlauch steht im Seminar, wird das übliche „Haben Sie noch Fragen?“ mit „Nein“ beantworten. Spreche ich mit Lernenden, sagen sie häufig – in Betrieben genauso wie an der Universität –, sie wüssten gar nicht recht, welche Fragen sie zu einem Thema stellen sollten, denn ihnen sei nicht klar, was eigentlich das Lernziel sei.
Daran wird deutlich, warum der Constructive Alignment-Ansatz von Lehrenden die Definition von Lern-Ergebnissen verlangt, statt von Lern-Zielen. Definiert werden Lernergebnisse nach dem Muster: „Nach dem Lernen können Sie ….“, angegeben wird eine Handlung, die Lernende ausführen können sollen, freilich „Handlungen“ im weiteren Sinne, der über manuelle Handlungen hinaus auch kognitive Aktivitäten einschließt, z.B. Erklären, Analysieren, Vergleichen, Anwenden.
Säule 2: Passende Lernaktivitäten
Wer messbare Lernergebnisse definiert, bestimmt damit im Kern auch die Lernaktivitäten, mittels derer Lernende die Lernergebnisse erreichen können. Heißt im Beispiel des Projektmanagement-Seminars: sollen Lernende am Ende die Erfolgsfaktoren des Projektmanagements z.B. hinsichtlich ihrer Kosten oder ihres Aufwands vergleichen können, dann müssen Lernende im Seminar eben genau das tun: die Erfolgsfaktoren vergleichen. In diesem Fall passt die Lernaktivität zum angestrebten Lernergebnis. Damit ist der zweite Schritt zu einem Lerndesign gemacht, das ich eingangs als konsistent bezeichnete: Lernergebnisse und Lernaktivitäten sind konsistent aufeinander bezogen – oder, im ‚Originalton‘: aligned.
Die Bedeutung dieser Konsistenz mag selbstverständlich sein, weniger selbstverständlich ist ihre Umsetzung. Im genannten Projektmanagement-Seminar war tatsächlich eines der Lernziele, Projetmanagement-Methoden hinsichtlich verschiedener Kriterien bewerten und vergleichen zu können. Wie wurde dieses Können vermittelt? Indem der Dozent umfangreiche Tabellen zeigte, anhand derer er diese Vergleiche vorstellte und indem die Lernenden eifrig mitschrieben. Sie hörten also etwas über die Vergleiche. Offen blieb, ob sie sie selbst auch wirklich zogen – wozu sie laut Lernziel des Seminars befähigt werden sollten.
Säule 3: Trennscharfe Rückmeldungen
Denkt man die Idee des konsistenten Lerndesigns zu Ende, dann ist klar, womit sich der Kreis schließt: haben Lernende an Lernaktivitäten gearbeitet, die auf sichtbare Lernergebnisse ausgerichtet sind, dann sollen die Lernenden auch tatsächlich sehen, ob sie diese Ergebnisse erreicht haben. Diesem Ziel dienen im Constructive Alignment-Ansatz Assessments, die ich hier recht frei mit „Rückmeldung“ übersetze – denn es geht nicht um Prüfungen – schon gar nicht um benotete! – als die man den Begriff des Assessments auch lesen kann.
Die Assessments ermöglichen Lernenden und Lehrenden möglichst präzise festzustellen, ob ein Lernergebnis erreicht wurde. Nicht mehr und nicht weniger. Voraussetzung: im Assessment zeigen Lernende die als Lernergebnis definierten Handlungen. Um im Bild zu bleiben: ist der Vergleich von Erfolgsfaktoren des Projektmanagements als Lernergebnis definiert und vergleichen die Teilnehmer im Assessment Erfolgsfaktoren miteinander, dann ist das Assessment geeignet um festzustellen, ob das Lernergebnis erreicht wurde.
Eine gute Nachricht daran: eine zum angestrebten Lernergebnis passende Lernaktivität kann schon das Assessment enthalten. Im Projektmanagement-Seminar stellte der Dozent darauf um, die Lernenden die erwähnten Vergleichstabellen selbst erstellen zu lassen, statt sie einfach nur zu zeigen und zu erläutern. An den Arbeitsergebnissen der Teilnehmer konnte er sehen, ob sie das Lernergebnis erreicht hatten – und ihnen nützliche Rückmeldung geben. Zwar war es zunächst aufwändiger, die Lernaktivität „Tabellen erstellen“ zu entwickeln, als die Tabellen einfach nur zu zeigen. Der Aufwand lohnte sich aber. Der Dozent bezog Lernende in die Entwicklung der Lernaktivität ein und über die Neuauflagen des Seminars sagten die Lernenden, dass das Seminar wirklich wie maßgeschneidert sei für ihre Lernbedarfe. Die Seminarbewertungen gingen steil nach oben, zugleich empfand der Dozent das Seminar als „reibungsloser“ und „zielorientierter“.
Eine zweite gute Nachricht: gut gemachte Lernaktivitäten mit Assessment-Komponente können Lernenden und Lehrenden ‚klassische‘ Assessments ersparen, die häufig nur wenig Aussagekraft besitzen. Typisches Beispiel: das Multiple Choice-Quiz. In ihm können Lernende bestenfalls einen kleinen Ausschnitt der Fertigkeiten zeigen, die sie erwerben sollten. Dementsprechend können Lehrende Lernenden bestenfalls eine grobe, weil ausschnitthafte, Rückmeldung geben, ob sie die angestrebten Lernergebnisse erreicht haben.
Zu guter Letzt: Eine Einladung
In diesem Rahmen konnte ich den Constructive Alignment-Ansatz natürlich nur skizzieren und sicherlich stellen sich im Detail noch etliche Fragen. Festhalten lässt sich aber auf jeden Fall: jedes Lernangebot – unabhängig von Thema, Lernformat, oder Zielgruppe – kann und sollte einem konsistenten Lerndesign folgen. ‚Neues‘ Lernen‘: ist gut. Gutes Lernen: ist besser! Ihre Fragen rund um gutes Lernen beantworte ich Ihnen gerne. Sprechen Sie mich an!
Biggs, J. (2014). Constructive alignment in university teaching. HERDSA Review of Higher Education, 1, 5-22.