21. April 2020  |  
Dr. Stefan Baron

Lernen im Homeoffice – Zehn Erfolgsfaktoren

Arbeit im Homeoffice bedeutet nicht, dass man am Däumchen dreht. Häufig ist das Gegenteil der Fall. Homeoffice bietet aber die Gelegenheit, die Arbeit flexibler zu gestalten und sich im Rahmen des Möglichen die Zeit anders einzuteilen. Dazu gehört auch, sich Zeit zu nehmen, sich um die eigene berufliche Weiterbildung zu kümmern.

Diejenigen, die bislang noch nie im Homeoffice gearbeitet haben, dies aber aufgrund der Corona-Krise tun müssen, haben vermutlich aktuell (noch) gänzlich andere Dinge im Kopf als berufliche Weiterbildung. Beruf und Privatleben verschwimmen, das Diensthandy klingelt, die Kinder quengeln, wichtige Projektabgaben rücken näher, das Toilettenpapier wird knapp. Aber irgendwann hat man sich mit dem veränderten Arbeitsalltag arrangiert und vielleicht auch freie Zeit hinzugewonnen. Im schlimmsten Fall, weil man in Kurzarbeit ist. Im besten Fall, weil man sich den Weg zur Arbeit spart und ein Großteil der Meetings entfällt.

Diese gewonnene Zeit sollten wir für Themen nutzen, zu denen wir uns schon länger mal schlau machen wollten, für die wir aber im Hamsterrad des Berufsalltags nie Zeit hatten. Sei es, indem wir einen Sprachkurs belegen, unsere Computerkenntnisse auffrischen oder ein Fachbuch lesen, das schon lange auf dem Schreibtisch liegt. Auch letzteres ist berufliche Weiterbildung.

Doch das Lernen im Homeoffice setzt eine viel größere Eigenverantwortung voraus als beispielsweise die Teilnahme an einem Präsenzseminar eines Bildungsträgers. Dieser Blog-Beitrag möchte zehn Hinweise geben, wie Lernen im Homeoffice gelingen kann. Es ist gar nicht so schwer, verlangt aber eine gehörige Portion Selbstdisziplin.

1. Passendes Thema finden

Vielleicht fällt Ihnen ad hoc ein Thema ein, zu dem sie sich schon lange einmal informieren oder weiterbilden wollten. Was aber, wenn nicht? In diesem Fall hilft möglicherweise der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen oder Vorgesetzten. Wenn dies auch nicht der Fall ist, empfehlen wir Ihnen, für sich eine sogenannte SWOT-Analyse durchzuführen (Strengths, Weaknesses, Opportunities, Threats).

Machen Sie sich zunächst darüber Gedanken, welche Chancen (Opportunities) und Risiken (Threats) sich durch externe Einflüsse (z.B. zunehmende Digitalisierung der Arbeit, Wegfall von Tätigkeiten, Veränderte Produkte) für Ihren konkreten Arbeitsplatz ergeben. Ergeben sich neue Chancen im Unternehmen, für die Sie sich weiterqualifizieren müssen? Oder besteht das Risiko, dass Ihre bisherige Tätigkeit mittelfristig entfällt und Sie müssen sich rechtzeitig neue Kompetenzen aufbauen? Versuchen Sie, die Chancen und Risiken möglichst genau zu benennen. Chancen können sich beispielsweise aus der Einführung neuer Produkte ergeben, Risiken durch die Automatisierung der Arbeit.

Im zweiten Schritt definieren Sie Ihre Stärken (Strengths) und Schwächen (Weaknesses). In welchen Themenfelder besitzen Sie Kompetenzen und können diese Stärke einsetzen, die sich ergebenden Chancen zu nutzen? Passen die vorhandenen Stärken bzw. Kompetenzen auch zur Arbeitswelt von morgen oder können sie sich in Schwächen verwandeln, wenn Sie diese nicht weiterentwickeln? Braucht es also eine Weiterbildung, um bestehende Kompetenzen aufzufrischen und so up-to-date zu bleiben? Schwächen zu definieren, fällt wahrscheinlich vielen schwerer. Wenn es aber gelingt, sie zu benennen, ergibt sich aus ihnen das Potential, durch passende Weiterbildungsangebote Kompetenzen aufzubauen, Chancen zu nutzen und Risiken zu reduzieren. Durch passende Weiterbildungen können bestehende Schwächen reduziert werden.

Am besten bilden Sie Ihre individuellen Chancen, Risiken, Stärken und Schwächen in einer SWOT-Matrix ab. Zumeist hilft eine Visualisierung, um zu erkennen, wie Chancen mit Hilfe der Stärken genutzt werden können und fehlende Kompetenzen in Stärken umgewandelt werden können. Es gilt, bestehende Risiken durch eine vorausschauende Weiterbildung zu reduzieren.

2. Nutzen klären

Wahrscheinlich haben Sie die Frage nach dem Nutzen der Weiterbildung zumindest zum Teil schon durch die SWOT-Analyse geklärt. Dennoch kann es Sinn machen, sich noch mal Zeit zu nehmen und für sich den angestrebten Nutzen der beruflichen Weiterbildung zu definieren bzw. zu reflektieren. Hiervon ist letztlich abhängig, welches Weiterbildungsangebot am besten zu Ihnen passt. Geht es Ihnen um eine persönliche Weiterentwicklung oder um die Verbesserung Ihrer beruflichen Handlungsfähigkeit? Wollen Sie sich einen Überblick über neue berufliche Entwicklungen verschaffen oder geht es Ihnen um konkrete Anpassungen an neue Tätigkeitsanforderungen? Erhoffen Sie sich bessere Aussichten auf interessante und anspruchsvollere Tätigkeiten oder erwarten Sie von der beruflichen Weiterbildung mehr Sicherheit vor Arbeitsplatzverlust? Wollen Sie an das Lernen im Homeoffice eine zusätzliche Weiterbildung anschließen, die zu einem formalen Zertifikat bzw. Abschluss führt?

3. Passende Angebote finden

Das passende Angebot zu finden, ist fast so schwer, wie die Spreu vom Weizen zu trennen. Der Weiterbildungsmarkt ist einfach zu unübersichtlich. Daher ist es wichtig, zuvor für sich den Nutzen geklärt zu haben. Wenn ich mich nur persönlich weiterentwickeln und mir einen Überblick über neue berufliche Entwicklungen verschaffen möchte, kann man sich beispielsweise einer Vielzahl verschiedener hörenswerter Podcasts bedienen. Der Vorteil: Man muss den Podcast nicht im Homeoffice hören, man kann dies auch unterwegs beim Spazierengehen oder Joggen tun. Eine große Auswahl an Podcasts bieten beispielsweise die öffentlichen Rundfunkanstalten, die ihr Angebot unter https://www.ardaudiothek.de gebündelt haben. Es gibt aber auch eine Vielzahl verschiedener kleiner Anbieter wie zum Beispiel https://wegederdigitalisierung.de/. Es lohnt, mal im Internet nach persönlich passenden Angeboten zu suchen. Alternativ kann man durch das Lesen von Blogbeiträgen neue Impulse für die Arbeit erhalten. Empfehlen können wir zum Beispiel den Blog der AgenturQ unter https://www.agenturq.de/aq-blog/ oder auch den Blog unseres Beiratsmitglieds Dr. Josephine Hofmann unter https://blog.iao.fraunhofer.de/author/josephine-hofmann/.

Wie bei der Lektüre eines Fachbuchs oder einer Fachzeitschrift gilt auch für die Podcasts, dass man kein Teilnahmezertifikat erhält. Wenn es wichtig ist, die erlernten Kompetenzen gegenüber dem Arbeitgeber durch Zertifikate nachzuweisen, braucht es daher andere Angebote. Dies gilt insbesondere für Weiterbildungen, die der konkreten Anpassung an neue Tätigkeitsanforderungen und damit der Sicherheit vor Arbeitsplatzverlust  dienen sollen. Aber Obacht, die Zahl von Bildungsträgern und ihren digitalen Bildungsangeboten ist riesengroß, die Qualität und der Inhalt lassen sich im Vorhinein nicht immer bewerten. Am besten verlässt man sich auf Empfehlungen von Kolleginnen und Kollegen. Grundsätzlich gilt, dass man nur digitale Angebote von AZAV-zertifizierten Bildungsträgern wählen sollte. Dann kann man schon mal nicht allzu viel falsch machen. Ans Herz legen können wir die Onlinekurse, die das Bildungswerk der baden-württembergischen Wirtschaft oder die Bildungszentren der IG Metall anbieten. Vielleicht ist ja etwas dabei.

Einen Zwischenweg bieten sogenannte MOOCS (Massive Open Online Courses), die teilweise mit Zertifikaten abschließen und mit ECTS-Punkten hinterlegt sind. Hier bietet das Internet eine große Auswahl an Kursen rund um die Themen Transformation, Industrie 4.0, Nutzung des Internets, Programmierung und auch zum Lernen im digitalen Zeitalter. Die AgenturQ hat eine kleine Auswahl von aus unserer Sicht passenden Angeboten zu diesen Themen zusammengestellt. Manche Angebote sind kostenpflichtig, viele sind aber auch kostenlos.

4. Mit dem Arbeitgeber sprechen

Nachdem das passende Thema gewählt, der Nutzen definiert und das passende Angebot ausgewählt ist, sollte das Gespräch mit dem Arbeitgeber bzw. der Führungskraft gesucht werden. Es gilt zu klären, wie der Arbeitgeber von dem im Homeoffice erworbenen Wissen profitieren kann. Hiervon ist abhängig, inwieweit sich der Arbeitgeber an der Weiterbildung beteiligt. Beim Hören eines Podcasts spielt dies weniger eine Rolle, doch bezüglich der Teilnahme an kostenpflichtigen Onlinelernangeboten steht die Frage im Raum, inwieweit sich der Arbeitgeber  finanziell und/oder mit Lernzeit  an der Weiterbildung beteiligen kann. Ebenso kann der Arbeitgeber die Weiterbildung unterstützen, indem er das nötige Equipment zur Verfügung stellt bzw. die Nutzung dienstlicher Endgeräte zum Zwecke der Weiterbildung erlaubt. Auf alle Fälle sollte man sich mit dem Arbeitgeber bzw. der Führungskraft frühzeitig für einen Qualifizierungsgespräch verabreden, um gemeinsam zu klären, wie das neu erworbene Wissen am Arbeitsplatz eingesetzt werden kann.

5. Zeit nehmen und Lernzeiten definieren

Tappen Sie nicht in die Homeoffice-Falle und verschieben Sie Ihre Lerninhalte nicht immer weiter nach hinten. Definieren Sie vielmehr feste Zeiten, wann Sie sich einzig und alleine auf den Lerninhalt konzentrieren. Wann die beste Lernzeit ist, ist letztlich typabhängig. Natürlich spielt es auch eine Rolle, ob Sie bei der Teilnahme an Onlinekursen an feste Zeiten gebunden sind. Wenn Sie aber in Ihrer Tagesgestaltung frei sind, sollten Sie in sich hinein hören, wann Sie am besten lernen. Aus der Hirnforschung ist bekannt, dass der Morgen die beste Zeit ist, um etwas Neues zu lernen oder sich wichtige Dinge einzuprägen. Unsere Konzentration, die Aufmerksamkeit und die kognitiven Fähigkeiten sind am Vormittag am stärksten. Kreativ arbeiten tut man dagegen eher am Nachmittag besser, obwohl man von der ersten Tageshälfte leicht erschöpft ist. Wenn Sie sich für eine Lernzeit entschieden haben, sollten Sie diese nach Möglichkeit einhalten. Und dazu gehört auch, pünktlich mit dem Lernen aufzuhören und sich anderen Dingen zu widmen. Zum Beispiel der Familie.

6. Gute Lernumgebung schaffen

Wenn man zu Hause kein eigenes Büro hat und womöglich während der Schließung von Schulen und Kindergärten auch noch die Kinder mit am Küchentisch sitzen, ist es natürlich schwierig, eine gute Lernumgebung zu schaffen. Daher soll hier bewusst auch nicht von der optimalen Lernumgebung die Rede sein. Letztlich gilt für die Lernumgebung dasselbe wie für die Arbeitsumgebung. Grundsätzlich gilt, dass man sich in der Lernumgebung wohlfühlen sollte und ein ergonomisches Arbeiten bzw. Lernen möglich ist. Vereinbaren Sie mit Ihrer Familie, dass während der festgelegten Lernzeiten die Geräuschkulisse in den eigenen vier Wänden heruntergefahren wird. Ihre Kinder können ja zeitgleich mit Ihnen lernen. Wie für den Arbeitsplatz gilt auch für den Lernplatz, dass dieser ausreichend hell ist, wobei die Helligkeit des Bildschirms bzw. des mobilen Endgeräts so gedimmt sein sollte, dass die Bildschirmarbeit die Augen nicht allzu schnell ermüden lässt. Sorgen Sie dafür, dass Sie alle nötigen Lernmaterialien in Griffweite haben und vergessen Sie nicht, regelmäßig etwas zu trinken und zu essen. Das verleiht Ihnen neue Energie fürs Lernen. Last but not least sollte die Bewegung in den Lernpausen nicht zu kurz kommen.

7. Ablenkungsquellen minimieren

Machen Sie im Unternehmen Ihre Lernzeiten bekannt und tragen Sie diese in Ihren Outlookkalender ein. Sorgen Sie dafür, dass Sie im Lernprozess nicht gestört werden. Am besten schalten Sie während Ihrer Lernzeit Ihr Smartphone ab und sorgen dafür, dass am Computer keine Benachrichtigungen für neue Mail etc. erscheinen. Melden Sie sich nach Ihrer Lernzeit zurück und teilen Sie mit, dass Sie jetzt wieder erreichbar sind.

Was für dienstliche Quellen der Ablenkung gilt, gilt natürlich auch für private Quellen. Kaffee holen ist erlaubt, der Schwatz mit den Nachbarn nicht. Den Blick in die sozialen Medien sollten sie auch auf die Zeit nach dem Lernen verschieben. Dann können Sie alles nachholen, quasi als Belohnung für das Lernen.

8. Lernergebnisse dokumentieren

Nach jeder Lerneinheit sollten Sie sich die Zeit nehmen, das Erlernte aufzuschreiben. Damit reflektieren Sie die Ergebnisse nochmals und das Erlernte verfestigt sich. Tun Sie dies in einem ersten Schritt am besten handschriftlich und nicht am Computer. Aus der Hirnforschung ist bekannt, dass sich das Gehirn in diesem Fall intensiver mit dem Erlernten beschäftigt.

Erstellen Sie zusätzlich am Computer eine Zusammenfassung Ihrer Lernergebnisse und legen Sie diese gemeinsam mit möglichen Transkripten der Onlinekurse Ihrem Arbeitgeber vor, um Ihre neu erworbenen Kompetenzen nachzuweisen. Dementsprechend ist es wichtig, dass die Zusammenfassung eine hohe Aussagekraft besitzt. Zusätzlich kann die Zusammenfassung Ihrer Lernergebnisse auch an Kolleginnen und Kollegen weitergegeben werden. Sie werden somit zum Multiplikator und andere können von Ihrem Wissenserwerb profitieren.

9. Qualifizierungsgespräch führen

Wir alle hoffen, dass bald wieder ein Stück Normalität in die Unternehmen zurückkehrt und wir lernen, die Risiken von Covid-19 einzuschätzen und mit ihnen umzugehen. Wenn wir alle an unsere Arbeitsplätze im Unternehmen zurückgekehrt sind, wird es Zeit für ein Qualifizierungsgespräch mit der der Führungskraft. Das Gespräch dient dazu, die Lernergebnisse gemeinsam zu reflektieren und aus ihnen mögliche weiterführende Maßnahmen abzuleiten. Je nach Weiterbildungsinhalt und -form können sich beispielsweise neue Tätigkeiten oder weiterführende Qualifizierungen ergeben. Ein Anspruch darauf besteht freilich nicht. Soweit ein Qualifizierungsbedarf besteht, werden im Rahmen des Gesprächs die notwendigen Qualifizierungsmaßnahmen vereinbart. Auf der Grundlage ihrer Lernerfahrungen können die Beschäftigten hierzu Vorschläge machen.

10. Am Ball bleiben

Die Zeit des Homeoffice ist hoffentlich bald vorbei, wir sind an unsere Arbeitsplätze zurückgekehrt und haben mit unseren Vorgesetzten weiterführende Qualifizierungsmaßnahmen vereinbart. Kehren wir nun wieder zur Routine zurück? Hoffentlich nicht! Vielmehr sollten wir die vielfältigen Möglichkeiten des digitalen Lernens weiter nutzen. Gut gemachte Podcasts zu beruflich relevanten Themen können Fahrtzeiten im Auto oder der S-Bahn gefühlt verkürzen. Oder man schaut einen MOOC auf dem Tablet an. Und vielleicht funktioniert es ja sogar, sich am Arbeitsplatz im Unternehmen feste individuelle Lernzeiten einzurichten.

Welche Schlussfolgerungen werden wir aus dem Lernen im Homeoffice ziehen? Hoffentlich, dass individuelles Lernen Spaß macht. Vielleicht, dass es nicht immer ein zweitägiges Präsenzseminar sein muss, da der zweistündige Podcast oder das Webinar den Inhalt in zeitlich komprimierter Form genauso gut oder gar besser vermitteln kann. Je länger man sich mit dem Thema Lernen im Homeoffice beschäftigt, desto mehr spannende und auch häufig kostenfreie Angebote entdeckt man im Internet. Möglicherweise werden wir aber auch feststellen, dass zur Weiterbildung auch der Austausch mit den anderen Weiterbildungsteilnehmenden in der Kaffeepause gehört. Technisch ist vieles möglich, von der Videokonferenz bis hin zur digitalen Metaplanwand. Aber den direkten persönlichen Austausch kann man damit nicht ersetzen. Vielleicht macht es die Mischung aus Online- und Präsenzlernen und in Zukunft wird es verstärkt Blended Learning Weiterbildungsformate geben.