In diesem Blogbeitrag möchte ich mich der Frage widmen, welchen Einfluss wohl eine lernförderliche Arbeitsgestaltung auf die Weiterbildungsteilnahme hat. Erst kürzlich haben wir im Team der AgenturQ darüber gesprochen, ob es eigentlich immer an der Person selbst liegt, ob sie an Weiterbildung teilnimmt oder ob es nicht auch organisationale Faktoren gibt, die eine potentielle Weiterbildungsteilnahme eher behindern oder fördern.
Niedrige Weiterbildungsbeteiligung: Liegt es an der Person oder an der Organisation
Eine Antwort auf diese Frage haben vor längerer Zeit Dr. Simon Janssen und seine Kolleginnen und Kollegen vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung gegeben. Sie hatten sich auf die Suche nach einer Erklärung für die Differenz in der Weiterbildungsbeteiligung zwischen Beschäftigten mit einem geringen Anteil an Routinetätigkeiten im Job und solchen mit einem hohen Anteil begeben. In einem Gastbeitrag für den Blog der AgenturQ hat er deutlich gemacht, dass der Unterschied in der Weiterbildungsbeteiligung nicht durch beobachtbare Charakteristika wie beispielsweise Bildungshintergrund, Betriebszugehörigkeit, Alter, Geschlecht oder Migrationshintergrund erklärt werden kann. Vielmehr spielt es eine Rolle, ob Unternehmen über ein dezidiertes Weiterbildungsmanagement verfügen oder ob sie den Beschäftigten individuelle Angebote zur Weiterbildungsförderung und Finanzierung machen. Die lernförderliche Arbeitsgestaltung scheint also den Unterschied zu machen, oder?
Lernförderliche Arbeitsgestaltung als Treiber der Weiterbildung?
Prof. Dr. Hannes Zacher, Carolin Dietz und Michael Knoll von der Universität Leipzig würden diese Frage wahrscheinlich bejahen. Sie waren vor kurzem in einem Webinar der AgenturQ zu Gast und berichteten den interessierten Teilnehmenden über neue Erkenntnisse aus der Forschung zu lern- und entwicklungsförderlicher Arbeitsgestaltung. Die Folien und die Videoaufzeichnung des Webinars stehen in der Mediathek der AgenturQ zur Verfügung.
Interessant waren die von den drei Forscher:innen präsentierten Ergebnisse einer Untersuchung des Zentrums Digitale Arbeit zur Frage, welche Eigenschaften des Lernprozesses Beschäftigen wichtig sind. Es wurde deutlich, dass es vielen Mitarbeitenden auf ein selbstbestimmtes Lernen ankommt. Über 60 Prozent der Befragten ist es wichtig, die Möglichkeit zu haben, selbstständig zu lernen. Gleiches gilt für die Möglichkeit, ortsunabhängig oder zu einem selbst gewählten Zeitpunkt zu lernen, ebenso wie die Möglichkeit, das Lerntempo selbst zu bestimmen und Aufgabenstellungen eigenständig durchzuarbeiten. Genauso wichtig wie das selbstbestimmte Lernen war den Interviewten auch das vermittelbare und realitätsnahe Lernen. Lerninhalte, -aufgaben und -beispiele sollten sich an der Wirklichkeit orientieren, die Befragten mochten das Gelernte praktisch umsetzen.
Große Aufgabe: Lernförderliche Arbeitsgestaltung in der Produktion
Wenn wir in uns in Unternehmen die Produktionsarbeitsplätze anschauen, wird schnell deutlich, dass selbstbestimmtes Lernen nicht einfach umsetzbar ist. In der taktgebundenen Arbeit müssen innerhalb der Schicht die anvisierten Stückzahlen erbracht werden. Da bleiben wenige Möglichkeiten, selbstständig und im eigenen Lerntempo zu lernen. Doch es gibt sie. Und wenn es Unternehmen und Betriebsräten wichtig ist, die Weiterbildungsteilnahme zu erhöhen, sollten sie darüber nachdenken, wie das selbstständige Lernen auch in der Produktion zukünftig ermöglicht wird. Lösungsvorschläge liegen auf dem Tisch, auch wenn sie nicht alle günstig sind. Wie ist es beispielsweise mit der Idee, pro Woche jeder Mitarbeiterin und jedem Mitarbeiter eine Stunde Lernzeit zur individuellen Nutzung einzuräumen? Oder die Möglichkeit zur Job-Rotation zu bieten, die gegenseitige Hospitation oder auch ein Tandem-Lernen? Gerne auch intergenerationell. Ältere Mitarbeitende geben Jüngeren ihr Erfahrungswissen weiter und profitieren im Gegenzug von deren digitalen Kompetenzen. Man sollte es mal ausprobieren.
Positives Lernklima im Büro als Voraussetzung
Anders als bei Produktionsarbeitsplätzen wird man leicht zur Annahme verleitet, dass es bei Büroarbeitsplätzen einfach sei, lernförderliche Arbeitsumgebungen zu schaffen. Aber ist das wirklich so? Natürlich gibt es in modernen Büros Rückzugsmöglichkeiten, aber längst nicht alle Büros sind damit ausgestattet. Und selbst wenn. Zu einer lernförderlichen Arbeitsumgebung gehört nicht nur die Infrastruktur, sondern auch das Lernklima. Wenn Mitarbeitende von Kolleginnen und Kollegen schief angeschaut werden, weil sie sich während der Arbeitszeit eine Stunde zurückziehen, um einem MOOC zu folgen oder an einem Onlineseminar teilzunehmen, gibt es noch einiges zu tun. Anstatt zu mutmaßen, dass die Kollegin oder der Kollege während der Arbeitszeit privat im Internet surft, sollten sie sich für die Weiterbildung interessieren und im gegenseitigen Austausch vom Lernerfolg profitieren.
Nicht immer einfach: Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Lernen im Homeoffice
Und wie sieht es mit der lernförderlichen Arbeitsgestaltung im Homeoffice aus? Man könnte meinen, es sei alles in Butter. Schließlich kann man sich seine Lernzeit in einem größeren Maße selbst einteilen. Aber das Arbeiten und Lernen ist nicht rosarot. Glück hat, wer über ein Arbeitszimmer verfügt und sich zum Lernen zurückziehen kann. Aber Lernen am Küchentisch, kann das gehen? Insbesondere, wenn Kinder im Haus sind? Ich glaube nicht. Weiterbildung muss eben nicht nur mit dem Beruf vereinbar sein, sondern auch mit der Familie. Und manchmal muss man Familie, Beruf und Weiterbildung eben trennen, um einen Lernerfolg zu generieren.
Zutaten für eine lernförderliche Arbeitsgestaltung
Schließlich stellt sich die Frage, was es eigentlich alles braucht an „Zutaten“ für eine lernförderliche Arbeitsgestaltung. Mit Sicherheit Kolleginnen und Kollegen, mit denen man sich über das Erlernte austauschen kann, die zum Lernen motivieren können, die Rückmeldungen geben oder das Lernen ganz einfach begleiten. Dies funktioniert beim Lernen im Homeoffice nur sehr eingeschränkt. Den Forscher:innen der Universität Leipzig kommt es noch auf weitere Punkte an. Zu aller erst muss aus ihrer Sicht das Unternehmen die Notwendigkeit fürs Lernen erkennen und dem Lernen die nötige Bedeutsamkeit schenken. Und dann gilt es, das Lernen der Beschäftigten durch die Gestaltung der Arbeit zu fördern. Um das Lernen anzustoßen, braucht es aus ihrer Sicht herausfordernde Aufgaben. Auch muss den Beschäftigten Zeit zum Lernen zur Verfügung gestellt werden und externe wie interne Lernhindernisse müssen abgebaut werden. Es geht zudem darum, die Fähigkeiten der Beschäftigten zu stärken und zu festigen. Es braucht ein begleitetes Lernen und Rückmeldungen in der Form, dass deutlich wird, wofür bzw. warum überhaupt gelernt wird. Und zu guter Letzt ist es wie beim Vokabeln lernen: Eine lernförderliche Arbeitsumgebung bietet die Möglichkeit zum Wiederholen und damit zur Festigung des Erlernten. Alles in allem ermöglicht eine lernförderliche Arbeitsgestaltung die Weiterentwicklung der Kompetenzen der Beschäftigten.
Machen Sie den Check: Wie lernförderlich ist Ihre Arbeitsgestaltung?
Zurück zur Ausgangsfrage, ob es nicht auch organisationale Faktoren gibt, die eine potentielle Weiterbildungsteilnahme eher behindern oder fördern? Die Antwort ist ein klares Ja. Deshalb lohnt der genaue Blick in das eigene Unternehmen bzw. auf den eigenen Arbeitsplatz und die Überlegung, wie lernförderlich eigentlich die eigene Arbeitsgestaltung ist. Dabei sollte man sich durchaus Zeit nehmen und sich die Prozesse genau anschauen. Auch wenn die Beschäftigten alle zufrieden sind, gibt es sicherlich in jedem Unternehmen etwas an der lernförderlichen Arbeitsgestaltung zu verbessern. Denn es ist nicht alles Gold, was glänzt.
Möchten Sie die Arbeitsumgebung im Unternehmen lernförderlicher gestalten und wünschen Sich dafür die Beratung und Unterstützung der AgenturQ? Dann sprechen Sie uns gerne an.