In unserem letzten Blogbeitrag hat mein Kollege sehr eindrücklich beschrieben, welche verschiedenen Möglichkeiten der beruflichen Weiterbildung es gibt. Als Ergebnis kann man festhalten: Weiterbildung ist nicht gleich Weiterbildung. Es gibt informelle Weiterbildungsformate im Unternehmen, genauso wie formale Weiterbildungsangebote wie den Techniker oder den Fachwirt. Es gibt die Aufstiegsfortbildung, um in Zukunft höherwertige Aufgaben zu erfüllen, genauso wie Anpassungs- bzw. Erhaltungsqualifizierungen, um fit zu bleiben für die aktuellen und zukünftigen Tätigkeiten.
Wie schon angekündigt, möchte ich mich in diesem Beitrag mit der Frage beschäftigen, welchen Nutzen Weiterbildung überhaupt bringt. Oder anders ausgedrückt, ob sich der Aufwand überhaupt lohnt. Es gibt zwei unterschiedliche Antworten. Die politische Antwort lautet, dass sich Weiterbildung immer lohnt. Diese Antwort unterschreiben wir als AgenturQ zu 150 %. Die individuelle Antwort lautet möglicherweise: Na ja, es kommt darauf an.
Es kommt erst einmal darauf an, welche Art von Weiterbildung ich belege. Wenn ich eine Fortbildung zum Techniker absolviere und mich anschließend erfolgreich auf eine entsprechende Stelle bewerbe, erfahre ich einen unmittelbaren Nutzen. Wenn ich mich dagegen informell weiterbilde, zum Beispiel mittels eines Webinars oder einer Einweisung an einer neuen Maschine, verspüre ich dagegen keinen vergleichbaren Nutzen. Ich mache weiterhin meinen Job und verdiene dasselbe Gehalt.
Geld ist nicht alles
Das Gehalt ist ein gutes Stichwort. Die beiden genannten Beispiele definieren das Gehalt bzw. die Karrierechancen als objektiv messbaren Nutzen einer Weiterbildung. Diesen Nutzen haben im vergangenen Jahr Christian Ebner und Martin Ehlert vom Wissenschaftszentrum Berlin untersucht. In ihrer Forschung sind sie zum Ergebnis gekommen, dass eine Weiterbildung nur dann etwas für das Einkommen und die Karrierechancen bringt, wenn sie zu einem formalen Abschluss führt. Doch über 90 Prozent der Weiterbildungskurse in Deutschland sind non-formal, sie haben kaum einen Effekt auf das Einkommen und die Karriere. Selbiges gilt erst recht für die informelle Weiterbildung im Unternehmen.
Heißt das nun, dass non-formale Weiterbildung keinen individuellen Nutzen mit sich bringt? Nein, natürlich nicht. Neben dem Nutzen in Form eines Schritts auf der Karriereleiter und eines höheren Einkommens, gibt es weitere Nutzenaspekte. Zu nennen wäre da an erster Stelle die Erhöhung der Arbeitsplatzsicherheit, aber auch die Anerkennung im beruflichen Umfeld oder die Erhöhung der Beschäftigungsfähigkeit. Letzteres schließt beispielsweise den Einsatz an neuen Maschinen mit ein. Sicherlich könnten noch weitere Nutzenaspekte aufgezählt werden. Den meisten ist allerdings gemein, dass der Nutzen der Weiterbildungsmaßnahme anders als bei einem beruflichen Aufstieg nicht direkt messbar ist.
Häufig stellt sich der Nutzen erst mittel- oder gar langfristig ein. Und das ist das Problem der Weiterbildungsberatung. Anders als bei einer Aufstiegsfortbildung ist der Nutzen einer non-formalen Weiterbildung in der Regel nicht direkt quantifizierbar. X führt nicht automatisch zu Y. Man kann kein konkretes Nutzenversprechen abgeben, nur einen möglichen zukünftigen Nutzen beschreiben. Ob dieser tatsächlich eintritt, kann niemand versprechen. So ehrlich sollte man in der Weiterbildungsberatung sein. Doch eines ist sicher: Die Teilnahme an einer Weiterbildung ist immer besser als keine Teilnahme. Niemand kann im Vorhinein sagen, wie sich ein Berufsleben ohne Weiterbildung entwickelt. Insofern ist die Weiterbildungsteilnahme eine Art Versicherung.
Individuelle Sicht auf die Dinge
Objektiv gesehen bringt non-formale Weiterbildung einen Nutzen. Doch sehen das auch die Beschäftigten so? Nicht unbedingt, die individuelle Sicht kann nämlich eine andere sein. Öffentliche Bekenntnisse zur Wichtigkeit beruflicher Weiterbildung werden nicht für ernst genommen, wenn im direkten Umfeld Personen trotz regelmäßiger Weiterbildung ihre Stelle verlieren oder der eigene Job durch die Transformation der Arbeitswelt gefährdet ist. Der individuelle Nutzen ist auch ein anderer, wenn ich nur noch wenige Jahre zu arbeiten habe oder sich auch durch Weiterbildung wenig an meiner Arbeitssituation verändern würde. Gegen diese Argumente in der Weiterbildungsberatung anzukommen, ist schwer. Denn letztlich hat man vermutlich keine passende Antwort auf der Hand, um solchen individuellen Eindrücken etwas zu entgegnen. Man muss aber versuchen, durch Argumente doch von einer Weiterbildungsteilnahme zu überzeugen.
Weiterbildung: Eine Frage von Kosten und Nutzen
Ob Weiterbildung überhaupt einen Nutzen bringt, hängt natürlich auch von den Kosten ab. Rational gesehen, muss der Nutzen immer größer sein als die Kosten. Die Wahrscheinlichkeit für die Teilnahme an einer Weiterbildung dürfte als umso größer sein, desto geringer die Kosten sind. Vermutlich liegt hier der Schlüssel, um Beschäftigte auch bei einem nicht sofort sichtbaren Nutzen für eine Weiterbildung zu gewinnen. Die Kosten müssen eben entsprechend gering sein. Und in der Tat sind non-formale Weiterbildungsangebote vergleichsweise günstig. Dagegen kostet eine formale Weiterbildung zum Meister oder Techniker mehrere Tausend Euro. Der erwartete direkte Nutzen ist aber auch entsprechend groß.
Ins Kalkül dürfen aber nicht nur die direkten Kosten, wie zum Beispiel Lehrgangskosten oder Ausgaben für Lernmaterialien, einbezogen werden, sondern auch indirekte Kosten. Hierzu zählen beispielsweise die Kosten für eine Kinderbetreuung während der Qualifizierungsmaßnahme. Oder auch die Zeit, die es braucht, am Arbeitsplatz die während der Maßnahme angefallene Arbeit anschließend abzuarbeiten. Direkte und indirekte Kosten können schnell den erwarteten Nutzen einer Weiterbildung überschreiten. Um Beschäftigte für eine Weiterbildung zu gewinnen, muss ein Unternehmen also alles dafür tun, diese Kosten zu reduzieren.
Und schließlich gibt es natürlich nicht nur einen subjektiv erwarteten Nutzen, sondern auch subjektive Kosten. Hierüber habe ich bereits in einem unserer allerersten Blogbeiträge geschrieben. Der Nutzen einer Weiterbildung kann noch so hoch sein, wenn ich mir die Weiterbildung nicht zutraue, werde ich sie nicht belegen. In diesem Fall sind dann die Vorgesetzten oder Lernprozessbegleiter gefragt, nicht nur den Nutzen einer Weiterbildung herauszustellen, sondern auch Vertrauen in die eigene Weiterbildungsfähigkeit aufzubauen.