23. September 2020  |  
Dr. Stefan Baron

Miteinander reden – für ein positives Weiterbildungsklima

Die Sendung SWR1 Arbeitsplatz hat mich veranlasst, diesen Blog zu schreiben. In der Sendung am 22. August ging es um den Fall, dass ein Vorgesetzter nicht von der Hörerin selber, sondern über Umwege davon erfahren hat, dass sie nebenberuflich eine Weiterbildung macht. Hierüber sei er nun verärgert. Die Knigge-Expertin wurde in der Sendung gefragt, wie die Hörerin ihren Chef nun am besten ansprechen könnte, um sich zu entschuldigen.

Ich habe mir nach dem Beitrag die Frage gestellt, warum die Hörerin ihren Chef wohl nicht selbst über die Weiterbildung informiert hat und warum der wiederum so verärgert ist, dass sich die Hörerin bei ihm entschuldigen möchte. Ich kann über die Antworten nur mutmaßen, doch eines wird deutlich: In dem Unternehmen scheint ein schlechtes Weiterbildungsklima zu herrschen. Redet miteinander, so lautet in diesem Fall mein Plädoyer. Der offene Dialog über die Weiterbildungsabsichten stärkt das Weiterbildungsklima im Unternehmen.

Leistungsbereite und motivierte Beschäftigte mitnehmen

Mitarbeitende, die sich nebenberuflich weiterbilden, zeigen erstmal per se eine hohe Motivation und Leistungsbereitschaft. Bei längeren Weiterbildungen wie bei einem berufsbegleitenden Studium sogar ein hohes Maß an Durchhaltevermögen. Und wenn es sich um eine berufsbezogene Weiterbildung handelt, zeigen sie zudem ein gewisses Maß an Verbundenheit zu ihrem aktuellen Job. Alle vier sind persönliche Eigenschaften, die sich ein Vorgesetzter von seinen Mitarbeitenden wünscht. Insofern sollte er nicht verärgert sein, dass die Mitarbeiterin nebenberuflich eine Weiterbildung macht. Sondern sich glücklich schätzen und alles dafür tun, dass die Mitarbeiterin in seinem Team bleibt.

Mitarbeitende sollten daher in den jährlichen Mitarbeitergesprächen selbstbewusst von ihren Weiterbildungen berichten. So erfährt der Vorgesetzte, welche informellen Kompetenzen ihm bislang verborgen blieben. Zudem kann darüber gesprochen werden, ob der Arbeitgeber die nebenberufliche Weiterbildung nicht auch unterstützt. Zum Beispiel durch eine Beteiligung an den Weiterbildungskosten, die Nutzung der Infrastruktur des Unternehmens oder die Reduzierung der Arbeitszeit. Es gibt viele Möglichkeiten, die allesamt die Wertschätzung des Unternehmens für Bildung zum Ausdruck bringen. Dem Ideenreichtum sind keine Grenzen gesetzt.

Eines muss klar sein: Wertschätzung muss es geben, einen Anspruch auf Unterstützung nebenberuflicher Weiterbildung gibt es jedoch nicht. Vorgesetzte müssen nicht juchhe schreien, wenn Mitarbeitende Bildungszeit beantragen und gleichzeitig ein neuer Großauftrag erfüllt werden muss. Auch kann es aufgrund der aktuellen Einsparungen gut sein, dass in diesem Jahr eine Weiterbildung nicht bezuschusst wird, die in den vergangenen Jahren bei Kolleginnen und Kollegen immer mitfinanziert wurde. Es darf kein Frust entstehen, daher sollte eine Ablehnung einer Weiterbildung auch immer mit einem Gespräch verbunden sein, in dem die Vorgesetzten die Beweggründe erläutern. Vielleicht kann man ja in dem Gespräch auch eine Perspektive für das kommende Jahr eröffnen.

Die Führungskräfte sensibilisieren

Wenn es um die innerbetriebliche Weiterbildung geht, sind die direkten Vorgesetzten häufig der Dreh- und Angelpunkt. Manchmal mag der Ärger über die nebenberufliche Weiterbildung einer Mitarbeiterin in Wahrheit die Angst sein, die Kollegin mit den oben beschriebenen Eigenschaften zu verlieren. Und noch schlimmer, dass die Stelle im Anschluss nicht wiederbesetzt wird. Gänzlich von der Hand zu weisen ist diese Angst nicht. Aber wer sagt denn, dass die Mitarbeiterin überhaupt den Arbeitsplatz wechseln möchte? Führungskräfte denken noch immer sehr stark in Führungslaufbahnen, weshalb berufliche Weiterbildung im Kopf häufig mit beruflicher Karriereplanung in Verbindung gebracht wird. Viele Mitarbeitende streben aber keine Position mit Führungsverantwortung an, sondern möchten in ihrer aktuellen Tätigkeit besser werden und zusätzliche Aufgaben übernehmen.

Stärkung der emotionalen Verbundenheit zum Unternehmen

Wenn Unternehmen ihren Beschäftigten die Möglichkeit bieten, sich weiterzuentwickeln und zu verbessern, stärkt dies deren emotionale Verbundenheit zum Unternehmen und beugt Wechselabsichten oder eine innere Kündigung vor. Aus der Wissenschaft ist übrigens bekannt, dass die Loyalität zum Unternehmen einen positiven Einfluss auf die Produktivität der Beschäftigten hat. Insofern kann die Unterstützung der nebenberuflichen Weiterbildung einen Win-Win Effekt haben.

Übrigens gilt dies für alle Beschäftigtengruppen. Auch für ältere Beschäftigte, genauso wie für Un- und Angelernte. Viele von ihnen sind grundsätzlich weiterbildungsbereit und möchten sich beruflich weiterentwickeln. Diese Weiterbildungsbereitschaft wird nur leider häufig übersehen. Wenn man die Qualifizierungsgespräche nicht zum Austausch nutzt, bleiben bei Führungskräften häufig die aus der Bildungssoziologie bekannten Vorurteile bestehen, dass eben gerade die älteren Beschäftigten sowie Un- und Angelernte weniger weiterbildungsbereit sind als andere Beschäftigte.

Unterstützung von Weiterbildung für das Ehrenamt – warum nicht

Aber wer weiß, vielleicht hat die nebenberufliche Weiterbildung gar nichts mit dem Job zu tun, sondern mit dem Ehrenamt. Doch auch in diesen Fällen kann sich ein Unternehmen darüber Gedanken machen, inwiefern es im Rahmen der Corporate Social Responsibility bestimmte Weiterbildungen unterstützt. Ich denke hierbei insbesondere an Weiterbildungen im sozialen Bereich oder im Naturschutz. Auch solche Maßnahmen stärken am Ende die Arbeitgeberattraktivität.