In unseren letzten Blogbeiträgen haben wir uns sehr stark Fragen rund um die Gestaltung von Personalentwicklung bzw. Weiterbildung gewidmet. Es ging zum Beispiel darum, wie im Betrieb selbstorganisiert gelernt werden kann. Außerdem haben wir skizziert, wie die Weiterbildung nach Corona aussehen kann und welche Notwendigkeiten die Digitalisierung mit sich bringt. Es ist jetzt an der Zeit, einen Blick auf die Funktion der Personalentwicklung bzw. Weiterbildung zu werfen. Wie verändert sich diese Rolle? Was müssen Personaler:innen tun, um ihre eigene Abteilung für die Zukunft aufzustellen. Die gleiche Frage muss sich auch jeder Betriebsrat und jeder Bildungsausschuss stellen: Wie gestalten wir eine zukunftsfähige Personalentwicklung?
Drei Trends, die die Zukunft der Personalentwicklung beeinflussen.
Versuchen wir uns einmal ein Bild zu verschaffen, wie diese Personalentwicklung der Zukunft aussehen kann. Werfen wir dafür erstmal einen Blick auf drei Trends.
1. Unterschiedlichkeit von Menschen
Zuletzt wird uns zum Beispiel wieder bewusster, wie unterschiedlich die Menschen sind, die in einem Unternehmen arbeiten. Nicht nur was Geschlecht, Herkunft usw. betrifft. Auch der Wissensstand und die Fähigkeiten unterscheiden sich zwischen den Beschäftigten. Das war natürlich schon immer so. Jetzt sind wir aber an dem Punkt, dass wir tatsächlich darauf eingehen können und müssen. Auf der einen Seite ermöglichen uns Big Data und KI-Anwendungen viel gezielter auf die Vorkenntnisse jeder und jedes Einzelnen einzugehen. Auf der anderen Seite müssen Unternehmen das auch immer mehr tun, weil die Beschäftigten selber den Anspruch stellen, sich weiterzuentwickeln. Schon bald kann die Möglichkeit zur Weiterbildung im Kampf um Fachkräfte das Zünglein an der Waage sein.
2. Eigenverantwortung im Lernprozess
Die Möglichkeit dazuzulernen muss aber immer auch genutzt werden. Das heißt, Beschäftigte müssen mindestens die Verantwortung dafür übernehmen, Lernangebote anzunehmen. Darüber hinaus wird zuletzt vermehrt gefordert, dass eigeninitiativ gelernt wird. Die Mitarbeitenden sollen von passiven Konsumenten zu aktiven Lernerinnen werden. Das umfasst sowohl das Lernen am Arbeitsplatz, die Nutzung von unternehmenseigenen Angeboten und externen Weiterbildungsmöglichkeiten. Dabei organisieren sie den Prozess weitgehend selbst. Sie entscheiden, was, wann, wie und in welchem Tempo sie lernen.
3. (Wieder-)Verwendung von bestehendem Material
Das wird auch deshalb machbar sein, weil Lerninhalte – also Kurse, Austauschmöglichkeiten, Texte, Videos, … – dank des Internets nur einen Mausklick entfernt sind. Hier kommt als auch die Digitalisierung ins Spiel. Die zwei Fragen die sich Unternehmen bzw. der Personalentwicklung jetzt stellen lauten: Welche Weiterbildungen und Lernangebote erstellen wir selbst? Wo müssen wir das Rad nicht neu erfinden, sondern können bestehende Inhalte (wieder-)verwenden? Daran schließt sich natürlich die Frage an: Wie stellen wir all das den Beschäftigten zur Verfügung? Letztlich ist die große Menge an Inhalten nämlich nur dann von Nutzen, wenn darin schnell gefunden werden kann, was im Moment gebraucht wird.
Fassen wir also nochmal zusammen. Es bestehen drei wesentliche Trends, die die Personalentwicklung der Zukunft beeinflussen:
- Unterschiedliche Ausgangsbasis der Beschäftigten
- Eigenverantwortung im Lernen
- All-Verfügbarkeit von Lerninhalten
Neue Aufgaben für die Personalentwicklung
Aus diesen Entwicklungen können wir direkt Herausforderungen bzw. Ansprüche gegenüber der Personalentwicklung ablesen:
- Individualisierte Weiterbildungsangebote
- Lernbegleitung
- Zusammenstellung von Lerninhalten („Kuratierung“)
1. Individualisierte Lernpfade
Eine stärker auf die oder den Einzelnen zugeschnittene Weiterbildung ist eine konsequente Folge der zunehmenden Individualisierung in Gesellschaft und der Wirtschaft. Überall versuchen Unternehmen, ihre Produkte besser auf Zielgruppen zuzuschneiden. Teilweise kann ein Produkt auch schon ganz individuell für einen einzigen Kunden zugeschnitten werden. Übrigens: Während das im Endkundengeschäft (B2C) für viele noch neu ist, gehört die Automobilindustrie mit der Möglichkeit zur Konfiguration zu den Vorreitern. Ganz zu schweigen vom Unternehmenskundengeschäft (B2B), wo starke (Spezial-)Maschinenbauer schon immer auf die Wünsche der Kundinnen und Kunden eingegangen sind. Jetzt schlägt sich diese Entwicklung auch im Bereich der Weiterbildung nieder.
Für die Personalentwicklung bedeutet das konkret: Sie sollte Lernangebote für unterschiedliche Anforderungsniveaus machen. Diese sollten so gut wie möglich auf den Kenntnisstand der einzelnen Beschäftigten angepasst sein. Damit kann eine Person optimal lernen, da Relevanz des Inhalts und Schwierigkeitsgrad exakt dem Bedarf entsprechen. Dass das nicht einfach mal so gemacht werden kann, ist klar. Personalentwickler:innen müssen deshalb zwei Dinge tun.
Erstens müssen sie fitter im Bereich Technologie, insbesondere Künstliche Intelligenz (KI), werden. Sie müssen ausreichend Wissen aufbauen, um geeignete Anwendungen zu identifizieren, zu bewerten und an deren Weiterentwicklung (inhaltlich) mitzuarbeiten. Es gilt außerdem im Sinne einer Digital Fluency, bewerten zu können, in welchen Fällen der Einsatz von Technologie geboten, möglich oder aber nicht ratsam ist. Die Personalentwicklung wird also ein Stück technischer. Zweitens werden sie Weiterbildung modular gestalten. Das heißt, es braucht Lernpakete im Sinne von „Open Educational Resources“ (wiederverwendbare, digitale Bildungsbausteine). Diese Lernpakete werden in verschiedene Lernpfade oder auch Lernreisen gruppiert. So können Beschäftigte, anstatt eine 08/15-Weiterbildung zu besuchen, für Sie besser passende Lernmodule nutzen.
2. Lernbegleitung
Mit dieser Veränderung geht einher, dass die Personalentwicklung eher die Aufgabe übernimmt, individuelles Lernen zu begleiten. Die Rolle als Trainer:in lässt sie damit ein Stück weit hinter sich. Statt als Wissensvermittler:in zu agieren werden die Weiterbildner:innen in Zukunft mehr Gesprächs- bzw. Sparringspartner:in für selbstgesteuerte Lerner:innen sein. Diese Rollenveränderung ist eine Voraussetzung, um die Eigenverantwortung im Lernen überhaupt zu ermöglichen. Gleichzeitig ist sie eine Notwendigkeit. Zum einen nimmt die Geschwindigkeit der (technologischen) Veränderungen beständig zu. Zum anderen gehen Spezialisierungen immer tiefer. Damit läuft die Personalentwicklung Gefahr, den Entwicklungen stets nur hinterherzulaufen und Angebote zu machen, die den Expertinnen und Experten im Betrieb nicht wirklich weiterhelfen.
Insofern geht es zukünftig mehr darum, gemeinsam mit den Beschäftigten ihren jeweiligen Lernbedarf zu ermitteln. Dabei bleibt die Personalentwicklung natürlich Fachexpertin im Bereich Lernformen und -formate und weiß gut Bescheid, wo sich welches Lernangebot – innerhalb oder außerhalb des Unternehmens finden lässt. „Lernen“ und „Weiterbildung“ definiert sie dabei als weitläufiges Feld und bezieht auch (bislang) ungewohnte Formen des Lernens mit ein.
Mit diesem Wissen hilft sie den Beschäftigten die für sich passenden Lernstrategien zu erkennen und zu nutzen. Jedes Unternehmen muss dabei für sich entscheiden, ob die Weiterbildner:innen selbst bei Schwierigkeiten zur Verfügung stehen. Alternativ können auch speziell ausgebildete Kolleginnen und Kollegen aus den Fachbereichen die Lernbegleitung übernehmen. In jedem Fall sollte die Lernbegleitung mit der Reflexion über Lernerfolge und den Lernprozess selbst abschließen. Dann nämlich, baut sich mit der Zeit auch die notwendige (Selbst-)Lernkompetenz auf.
3. Kuratierung von Lernmaterial
Um den Aufbau einer umfassenden Lernkompetenz zu ermöglichen und Beschäftigte auf ihrem Lernweg begleiten zu können, muss sich die Personalentwicklung an anderer Stelle Zeit verschaffen. Beispielsweise dadurch, dass nicht für jedes Thema eigene Lerninhalte erstellt werden. Das Internet bietet schon heute eine unfassbare Menge kostenloser und kostenpflichtiger Lernmaterialien und ganze (Weiterbildungs-)Kurse. Da gibt es professionelle Weiterbildungsplattformen, die MOOCs (Massive Open Online Courses), Lernnuggets in Videos, Podcasts und Blogs.
Eine Unmenge – auch qualitativ hochwertiger – Lerninhalte ist verfügbar. Eben darauf kann und sollte die Personalentwicklung dadurch reagieren, dass Sie diese Inhalte auffindet, ihre Qualität prüft und den Beschäftigten zugänglich macht. Dafür kann z. B. eine Lernplattform oder ein Learning Management System (LMS) verwendet werden. Hier zeigt sich auch die Verschränkung der Trends bzw. der neuen Aufgaben der Personalentwicklung. Denn diese Lerninhalte können wiederum zu Lernpfaden (s. Punkt 1) zusammengestellt werden. Dabei können durchaus auch Präsenztrainings in die Angebotspalette aufgenommen werden – auch diese sind ja verfügbar. Indem dieses bestehende Lehr- und Lernmaterial genutzt wird, vermeidet die Personalentwicklung Doppelarbeit und kann sich stärker auf die individualisierte Betreuung der Beschäftigten und Spezialprogramme konzentrieren. Diese wird es schließlich auch immer brauchen. Kein Unternehmen ist in der Kultur oder im benötigten Fachwissen genau gleich.
Die neue Personalentwicklung: Gestalten statt Verwalten
Es klingt abgedroschen, aber es trifft nun mal zu: Die neue Rolle der Personalentwicklung ist mehr die einer Gestalterin, weniger die einer Verwalterin. Bislang liegt der Fokus oft darauf, Weiterbildungsbedarfe aus dem jährlichen Mitarbeitendengespräch zu sammeln (muss das nicht öfter sein?!), Weiterbildungen organisatorisch zu koordinieren und Trainer:innen-Leistungen einzukaufen. Das ist Verwaltung. Damit bleibt die Personalentwicklung in einer Nischenrolle, bleibt Kostenfaktor.
In der neuen Rolle macht sie den Beschäftigten das Angebot, entlang der eigenen Interessen und Bedarfe zu lernen. Damit ist übrigens dann auch sichergestellt, das die Weiterbildung im Sinne des Unternehmens liegt. Oft wissen die Mitarbeitenden nämlich selbst am besten, was sie gerade benötigen*. In der Rolle der Lernbegleitung ermöglicht sie ein vielfältiges und erfolgreiches Lernen für alle Gruppen und Anspruchsniveaus im Betrieb. Durch die Einbeziehung der Beschäftigten und der Nutzung bestehender Inhalte gestaltet sie hocheffektive und zielorientierte Lernpfade zu verschiedensten Themengebieten. Letztendlich wird die Weiterbildung von der Exklusiv-Veranstaltung für Führungskräfte zur Befähigungsinitiative für die gesamte Belegschaft. Eine essentielle Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit jedes Unternehmens – und aller Mitarbeitenden. Damit wird die Personalentwicklung der Zukunft eine geschätzte Partnerin für Mitarbeitende, Führungskräfte und Unternehmensführung sein.
*Was nicht heißt, dass die Personalentwicklung nicht auf Wissens-/Kompetenzlücken eingehen sollte. Im Gegenteil: sie sollte gezielt Reflexionsräume schaffen, die aufzeigen, wo eigenes Entwicklungspotenzial besteht.