Vielfach wird von „Lebenslangen Lernen“ als notwendigem „Übel“ gesprochen. Dabei bieten Qualifizierungen, Kompetenzentwicklungen und die Erweiterung der eigenen Skills eine große Chance, beruflich als auch privat einen Schritt nach vorne zu machen. Doch häufig geht es um die berechtigte Fragestellung, wozu soll ich mich weiterbilden? Welche Vorteile hat eine berufliche als auch private Fort- oder Weiterbildung für mich als Individuum? Und welche Kompetenzen und Qualifizierungen werden ich eigentlich zukünftig benötigen, um die Herausforderungen durch die Digitalisierung oder den Einsatz von Künstlicher Intelligenz zu bewältigen?
Der Stress mit dem Prüfungsstress
Die letzte Prüfung liegt schon Jahrzehnte hinter einem. Das Gefühl, geprüft zu werden, ist aber noch vorhanden und löst teilweise Erinnerungen aus, die man gerne wieder vergessen möchte. Daher taucht häufig in der Diskussion die Frage auf: Muss ich eine Prüfung machen? Dieses sorgt schnell für Ablehnung und den Verzicht auf die Chance, sich beruflich oder privat weiterzuentwickeln. Doch Kompetenzentwicklung muss nicht mit einer Prüfung einhergehen. Es gibt vielzählige Möglichkeiten und Angebote, z.B. mit der Inanspruchnahme von Bildungszeit, um sich weiterzubilden. Diese Möglichkeiten bieten einen Einstieg in die Möglichkeiten des Lernens nach längerer Abstinenz. Und das auch ohne möglichen Prüfungsstress.
Weiterbildungsangebote im wissenschaftlichen Kontext nutzen
Vielfach gibt es mittlerweile die Möglichkeit, sich im Rahmen von berufsbegleitenden Studiengängen weiterzubilden und zu qualifizieren. Im Rahmen solcher Angebote wird schnell deutlich, welche Vorteile diese Qualifizierungen haben können. Neben der Möglichkeit, z.B. sich mit wissenschaftlichen Texten und Arbeit auseinander zu setzen, schaffen diese berufsbegleitenden Studiengänge die Möglichkeit, seine erlangten Kompetenzen auch im beruflichen Kontext einzubringen und umzusetzen. Gleichzeitig bieten sich Möglichkeiten zur beruflichen Weiterentwicklung, auch im Hinblick auf das Anstreben weiterer Karriereschritte. Somit können die erworbenen Kompetenzen dazu beitragen, Herausforderungen im Beruf besser zu bewältigen.
Weitbildung und Qualifizierung. Lust oder Frust?
Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, dass berufsbegleitende Studiengänge oder andere Qualifizierungsangebote auch wieder die Lust am Lernen wecken können. Neben der Herausforderung, sich wieder auf Lernorte und Lehrende einzulassen, schaffen vor allem die selbst gewählten Qualifizierungsinhalte Lust auf Lernen und Weiterbildung. Jedoch ist mir bewusst, dass es vor allem auch um die Herausforderungen des Lernens im Kontext der Aufgaben im Unternehmen geht. Es gibt hier mittlerweile vielfältige Angebote, die Chancen und Möglichkeiten bieten, die anstehenden Veränderungen im Job anzugehen und für die eigene Performance zu nutzen. Weiterbildung im Unternehmen kann also auch ein Booster für die eigene Weiterentwicklung sein, und gleichzeitig eine Sicherheit bieten, die aktuellen Herausforderungen der Transformation zu meistern. Wer dabei Chancen für den eigenen Job und dessen Entwicklung erkennt, kommt an der persönlichen Weiterbildung nicht vorbei.
Betriebsräte und Personalabteilung als Möglichmacher von Weiterbildung.
Betriebsräte und Personalabteilungen sind heute vielfach herausgefordert, passgenaue Qualifizierungsmöglichkeiten zu entwickeln und Beschäftigte an dieser Reise zu beteiligen. Doch reicht es beispielsweise aus, Angebote im eigenen Intranet zu platzieren? Hier kann eine gemeinsam abgestimmte Vorgehensweise eine erfolgreiche Basis sein, um die Beschäftigten für die Qualifizierungsherausforderungen zu sensibilisieren und zu begeistern. Dabei sind Betriebsräte wichtige Brückenbauer. Sie schaffen die Vertrauensbasis, auf der Beschäftigte auch ihre Sorgen und Nöte mit Blick auf Qualifizierung diskutieren können. Darüber hinaus ermöglichen sie den Blick auf Herausforderungen durch die aktuellen Technologien und wohin eine mögliche Qualifizierungsreise führen kann oder muss.
Es geht um informelles Wissen und um nicht-digitale Kompetenzen
Häufig wird über informelles Wissen gesprochen. Jedoch wird dieses Wissen zumeist in Unternehmen kaum abgerufen. Warum? Weil es so gut wie nicht bekannt ist. Wer weiß schon, dass sein Kollege Schatzmeister eines großen Vereins ist oder die Kollegin herausragende Fähigkeiten im Bereich von Beratung besitzt? Doch wie kann man jetzt diese Fähigkeiten im beruflichen Kontext einsetzen? Zumeist gar nicht, weil sie nicht zu den beruflichen Aufgaben gehören. Aber bieten sich gerade hier nicht Chancen und Möglichkeiten, sich im Unternehmen weiter zu orientieren oder auch neue berufliche Chancen anzugehen? Ich meine ja, doch dafür braucht es auch eine Anlaufstelle und Konzepte, die informellen Kompetenzen zukünftig im eigenen Arbeitskontext einzubringen.
Die Herausforderungen in der digitalen Transformation mit Blick auf nicht-digitale Kompetenzen sind größer als bisher vielfach gedacht. Dabei will ich hier vor allem die vier K erwähnen. Kreativität, Kritisches Denken, Kommunikation und Kollaboration beschreiben aus meiner Sicht vor allem eins: Kreativ in der Nutzung von technischen Systemen zu sein, Entscheidungen von Systemen kritisch zu hinterfragen, die Kommunikation so zu gestalten, dass sie verständlich und nachvollziehbar ist und mit unterschiedlichen Gruppen und Personen zu kollaborieren. Wissen schafft somit auch Möglichkeiten, die eigene Resilienz-Fähigkeit für die Veränderungen der Arbeit zu stärken und auszubauen.
KI-Kompetenzen als Schlüssel zur Bewältigung der Transformation?
Neben den zuvor genannten Kompetenzen richtet sich das Augenmerk vor allem auf die Nutzung und Einschätzung von Lösungen mit Künstlicher Intelligenz. Wie kann ich KI für mich nutzen und mit der Technologie interagieren? Wie kann ich z.B. Vorschläge einer KI einschätzen und bewerten? Welche Möglichkeiten bietet mir diese Technologie im Arbeitskontext? KI im Arbeitsalltag zu nutzen, setzt vor allem ein Verständnis für diese Technologie voraus. Wie kommt die KI zu Entscheidungen? Welche ethischen und werteorientierten Grundlagen liegen einer KI-Entscheidung zu Grunde?
Dazu benötigt es 5 wichtige Kompetenzgrundlagen:
- Technisches Verständnis von KI: Dazu sollten die Beschäftigten ein grundlegendes Verständnis von KI-Algorithmen, -Techniken und -Anwendungen haben. Dies umfasst Kenntnisse über maschinelles Lernen, neuronale Netzwerke, Datenanalyse und -verarbeitung. Hierzu könnten Grundlagenschulungen in Unternehmen eine wichtige Basis zum Erwerb dieser Kompetenz bilden.
- Datenkompetenz: Eine solide Kenntnis über Daten ist entscheidend, da KI-Systeme auf großen Datenmengen basieren. Beschäftigte sollten in der Lage sein, Daten zu sammeln, zu bereinigen, zu analysieren und zu interpretieren, um KI-Algorithmen zu trainieren und zu verbessern.
- Problem- und Lösungskompetenz: Beschäftigte müssen in der Lage sein, relevante Probleme zu identifizieren, die durch KI gelöst werden können und kreative Lösungen unter Verwendung von KI-Technologien zu entwickeln. Dieses erfordert kritisches Denken und die Fähigkeit, komplexe Probleme zu analysieren und zu lösen.
- Ethik und Verantwortungsbewusstsein: Angesichts der potenziellen Auswirkungen von KI auf die Gesellschaft ist ein starkes Bewusstsein für ethische Fragen und Verantwortung erforderlich. Beschäftigte sollten verstehen, wie KI-Systeme ethische Prinzipien einhalten können und welche Auswirkungen ihre Arbeit auf verschiedene Stakeholder haben kann.
- Kommunikations- und Zusammenarbeitsfähigkeiten: Da KI oft interdisziplinäre Teams erfordert, müssen Beschäftigte über ausgeprägte Kommunikations- und Zusammenarbeitsfähigkeiten verfügen. Dies beinhaltet die Fähigkeit, komplexe technische Konzepte verständlich zu vermitteln und effektiv mit Teammitgliedern aus verschiedenen Fachbereichen zusammenzuarbeiten.
Diese Kompetenzen sind mitentscheidend, um die Potenziale von KI voll auszuschöpfen und sicherzustellen, dass sie verantwortungsbewusst und effektiv eingesetzt wird.
Um die Chancen beim Einsatz von KI nutzen zu können, benötigt es also umfangreiche und passgenaue Qualifizierungs- und Weiterbildungsangebote in Unternehmen und Gesellschaft. Gleichwohl braucht es auch einen breit angelegten Diskurs zu den Herausforderungen und Gefahren der Technologie. Denn nur wer um die Chancen und Herausforderungen Bescheid weiß, kann diese für sich einschätzen, beurteilen, Gefahren minimieren und Chancen nutzen.
Oliver Dietrich arbeitet bei der IG Metall Bezirksleitung Nordrhein-Westfalen und ist dort Projektleiter für das Projekt „Kompetenzzentrum Arbeitswelt.Plus“.