Die Zukunft
beginnt mit
Qualifizieren
Im Interview
„Der TV Quali ist im Grunde genommen der Rahmen für die Weiterbildung bei HELLER“.
Der Tarifvertrag zur Qualifizierung für die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg (TV Quali) wird 20 Jahre alt. Wir fragen nach: Wie kann er im Thema Qualifizierung die Unternehmenspraxis heute und in Zukunft unterstützen? Bei der Gebr. Heller Maschinenfabrik GmbH wird Weiterbildung auf Grundlage des TV Quali gestaltet. Wir haben mit Martina Zimmermann, Leitung Personalentwicklung, und Stefan Haag, Betriebsrat, gesprochen.
Erfahren Sie in diesem Interview, wie der TV Quali gelebt werden kann, wie er die erfolgreiche Zusammenarbeit beider Betriebspartner unterstützt und warum er auch für die Zukunft der Weiterbildung eine solide Basis ist.
Das Gespräch führten Patrick B. Fleck und Matthias Binder.
AQ: Frau Zimmermann beschreiben Sie uns doch kurz Ihre Aufgaben als Leiterin Personalentwicklung.
Zimmermann: : Ich bin bei der Gebr. Heller Maschinenfabrik GmbH für die allgemeine Weiterbildung, die Personalentwicklung und die Führungskräfteentwicklung zuständig. Wir legen jährlich ein Weiterbildungsprogramm auf, unterstützen die Fachbereiche bei spezifischen Themen und organisieren für einzelne Mitarbeiter externe Schulungsbesuche. In der Führungskräfteentwicklung bieten wir einerseits ein Nachwuchsprogramm für jährlich acht bis zehn Talents an. Andererseits bieten wir ein Programm für erfahrene Führungskräfte an, die sich in der Organisation verändern wollen.
AQ: Herr Haag, welche Bedeutung haben Weiterbildung und Personalentwicklung für Sie als Betriebsrat?
Haag: Seit ich Betriebsrat bin, war ich im Weiterbildungs- und Qualifizierungsausschuss und deshalb im engen Kontakt zu Frau Zimmermann. Beispielsweise haben wir für die Qualifizierungsgespräche Leitfäden erstellt. Diese können die Führungskräfte und Mitarbeiter neben einem Katalog mit Standardschulungen zur Vorbereitung nutzen. Außerdem arbeiten wir daran, unsere Betriebsvereinbarung zur Weiterbildung neu abzuschließen. Vor kurzem haben wir ein Stipendium-Modell abgeschlossen, das uns am Herzen lag. Damit können wir auch längere Weiterqualifizierungen gezielt fördern. So lässt sich vielleicht für ein paar jüngere Leute die Zeit der Unterbeschäftigung mit einer zweijährigen Qualifizierung, einem Erst- oder Zweitstudium oder einem Techniker überbrücken.
AQ: Welche Rolle spielen denn digitale Lernangebote bei HELLER?
Zimmermann: Die digitalen Lernangebote spielen eine ziemlich große Rolle. Bereits vor der Coronakrise starteten wir E-Learnings zu Excel oder auch zu anderen IT-Themen. Bedingt durch die Krise gibt es aktuell keine Präsenzschulungen, sondern es finden fast alle Trainingsmaßnahmen in virtuellen Klassenzimmern statt. Der Schulungsbetrieb läuft aber ganz normal weiter. Auch unser Talentprogramm haben wir in ein virtuelles Format überführt. Natürlich gab es ein paar Anlaufschwierigkeiten. Aber mit der Unterstützung des gesamten Personalentwicklungsteams und mit gutem Mut, lief es sehr gut an. Die Befürchtungen waren manchmal größer als die tatsächlichen Schwierigkeiten. Dass wir seit knapp drei Jahren ein Learning-Management-System haben, hat den Umstieg auf die virtuellen Formate erleichtert.
Haag: Wir verbessern das auch kontinuierlich. Vor Corona hatten wir eine Regelung zu E-Learning abgeschlossen. Aus dem ersten Durchlauf kamen Anregungen von Mitarbeitern, die wir im zweiten Durchlauf dann mit aufgenommen haben.
„Der TV Quali ist im Grunde genommen der Rahmen für die Weiterbildung bei HELLER“.
AQ: Welche Bedeutung hat der Tarifvertrag Qualifizierung (TV-Quali), den es inzwischen 20 Jahre gibt, bei HELLER?
Haag: Für uns haben einerseits die Qualifizierungsgespräche eine große Bedeutung, andererseits ist der § 6 im TV-Quali, also die Regelung zur befristeten Aufhebungsvereinbarung mit Wiedereinstellungszusage für Mitarbeiter, die zum Beispiel einen Techniker in Vollzeit machen wollen, wichtig. Der Techniker ist ein klassisches Beispiel und die häufigste Form der Weiterbildung, bei der jemand für zwei Jahre ausscheidet. Haben wir für einen Mitarbeiter in naher Zukunft keinen Techniker-Job, können wir bei ihm das Stipendium-Modell zwar nicht nutzen, die Qualifizierung aber trotzdem durch den TV-Quali ermöglichen.
Zimmermann: Der TV-Quali ist im Grunde genommen der Rahmen für die Weiterbildung bei HELLER. Er ist die Basis für die Mitarbeitergespräche, den daraus resultierenden Qualifizierungsbedarf, die nachfolgenden Schulungsaktivitäten, und natürlich für die zukünftig notwendigen Aufstiegsfortbildungen. Dieser Rahmen ist aus meiner Sicht sehr gut, da sich neue Themen integrieren lassen. Ich denke dabei an die Trends, mit denen die Unternehmen zunehmend konfrontiert sind. Beispielsweise die Digitalisierung, sowie unbeständigere und komplexer werdende Rahmenbedingungen (die sogenannte VUCA-Welt). Als der TV-Quali in Kraft trat, wurde noch viel mit Excel gearbeitet. Im Gegensatz dazu war mir der Umstieg auf ein professionelles IT-System zu Beginn meiner Tätigkeit bei HELLER wichtig.
Haag: Stimmt, das war damals noch viel Papier. Die Bereichs- und Gruppenleiter haben im Qualifizierungsgespräch Papiere ausgefüllt. Diese wurden dann in der Personalabteilung in eine Excel-Tabelle übertragen. Das war natürlich fehleranfällig und sehr aufwendig. Das musste man irgendwann digitalisieren.
AQ: Wie sieht denn der Prozess der Qualifizierungsgespräche jetzt bei Ihnen aus?
Zimmermann: Die Qualifizierungsgespräche werden über unser IT-Tool dokumentiert. Dafür gibt es in unserem Intranet eine kurze Einführung und zusätzliche Unterlagen. Das gleiche gilt für Informationen zu Weiterbildungsmaßnahmen. Das Gespräch findet jährlich zuverlässig von Mitte September bis Ende November statt. Die aus dem Qualifizierungsgespräch resultierenden Schulungsmaßnahmen starten in der Regel Anfang Februar und laufen bis zur Sommerpause. Diese Regelmäßigkeit ist wichtig und schafft Zuverlässigkeit.
AQ: Häufig hört man kritische Stimmen, die sagen, Qualifizierungsgespräche seien nicht nachhaltig. Welche Erfahrungen gibt es bei HELLER?
Haag: Reklamationen sind bei mir persönlich nicht angekommen. Manchmal kommt es vor, dass der Schulungswunsch von Mitarbeitern nicht mit dem Unternehmensbedarf zusammenpasst. Frau Zimmermann übersendet uns die Daten zum Qualifizierungsbedarf. Diese schauen wir uns genau an. Für uns ist interessant, in welchen Bereichen und Abteilungen wenig oder viel Bedarf gemeldet worden ist. Außerdem achten wir im Qualifizierungsausschuss darauf, ob immer die gleichen Personen Maßnahmen erhalten. Wenn es notwendig ist, tauschen wir uns anschließend intensiver mit Frau Zimmermann aus. Wenn in einem Bereich der Qualifizierungsbedarf noch nicht abgegeben wurde oder die Qualifizierungsgespräche noch nicht stattgefunden haben, haken wir auch mal nach.
Zimmermann: Wir verfolgen in der Personalentwicklung genau, welche Schulungen schon stattgefunden haben und welche noch ausstehen. Ab und zu stellen wir fest, dass nicht jedes Gespräch in der gleichen Qualität geführt wurde. Das ist die menschliche Komponente im System.
„Wir ziehen am gleichen Strang. So ist es im Grunde genommen ein Geben und Nehmen“.
AQ: Was charakterisiert denn aus Ihrer Sicht die Zusammenarbeit von Personalentwicklung und Betriebsrat?
Haag: Ich finde, wir haben eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Frau Zimmermann reagiert bei Anfragen sehr schnell und schiebt nichts auf die lange Bank. Wir ziehen am gleichen Strang. Wir wollen beide etwas für die Mitarbeiter erreichen, die anschließend ihre Qualifikationen für das Unternehmen einsetzen. Einzig beim Budget kann man sich über eine Priorisierung der Schulungen streiten. Da steht aber eher Frau Zimmermann vor Herausforderungen. Als Betriebsrat geben wir hilfreiche Tipps für die Ansprache bestimmter Führungskräfte. Da muss man etwas mehr informieren, vermeidet dann aber auch viel Skepsis.
Zimmermann: Für mich sind Transparenz, Austausch von Informationen und Schnelligkeit wichtig. Ich schätze es, dass der Betriebsrat sehr nahe an der Organisation ist. Er hat sehr viel Know-How, kennt sehr viel Leute und weiß genau, wie die Problemlage ist. Der Betriebsrat ist sehr hilfreich, um über das Organigramm hinaus zu verstehen, wie sich ein Bereich wirklich strukturiert. So ist es im Grunde genommen ein Geben und Nehmen, weil wir an den gleichen Themen arbeiten. Der Betriebsrat ist für mich ein großes Soundingboard. Wenn dort etwas aufschlägt, wissen wir schon, dass Handlungsbedarf besteht.
AQ: Welchen Tipp würden Sie anderen Unternehmen geben, um genauso erfolgreich zusammenzuarbeiten, wie Sie das tun?
Haag: Offen gesagt: Bei uns hat das ohne große Anstrengungen funktioniert. Manchmal können Menschen gut miteinander.
Zimmermann: Ich glaube, es ist wichtig, dass man auf Augenhöhe miteinander arbeitet und dadurch ein Vertrauensverhältnis schafft.
Haag: Man sieht den Willen des Unternehmens, weiterzubilden und bei Qualifizierung nicht nur den Kostenfaktor zu sehen. Das ist hier bei HELLER auch fest verankert. In Krisenzeiten wurde das Budget natürlich ein wenig zusammengedampft, trotzdem machen wir Qualifizierungen. Es geht etwas voran und das ist sehr hilfreich.
AQ: Damit sind Sie im Bereich Qualifizierung heute gut aufgestellt. Welche zukünftigen Herausforderungen sehen Sie für die Weiterbildung bei HELLER?
Zimmermann: : Das sind für mich ganz klar die Digitalisierung und der Technologiewandel. Wir werden wesentlich mehr Mittel und Ressourcen einsetzen müssen, um die Mitarbeiterschaft bei diesen Entwicklungen mitzunehmen. In einem anderen Gespräch mit Ihnen, hatten wir einen Blick auf die Grafik vom Stifterverband zu Future Skills geworfen. Es zeigt, welche Qualifikationen durch die Digitalisierung notwendig werden.
Die Abbildung entspricht ganz exakt der Problembeschreibung. Bei einem Gros der Belegschaft müssen wir eine Grundqualifizierung erreichen. Daneben muss es in speziellen Bereichen zusätzliche Fortbildungen zum Beispiel über Studiengänge geben. Dort qualifizieren wir für Kompetenzen, die wir für den Markt oder für die interne Organisation brauchen. Das wird eine Herausforderung, weil sich sehr viele neue Themen ergeben.
Ein zusätzlicher Trend ist das Micro-Learning. Es gibt umfangreiche E-Learning-Plattformen, die zum Teil für wenig Geld und zum Teil kostenlos Know-how zur Verfügung stellen. Das ist ein sehr gutes Angebot. Bei der Nutzung dieser Plattformen darf man die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aber nicht sich selbst überlassen. Das ist sonst eine Qualifizierungsstrategie, die kurzfristig, nicht aber langfristig funktionieren wird. Wir müssen alternative oder begleitende Maßnahmen anbieten. Lerngruppen sind ein Beispiel. Das sind allerdings Prozesse, die das Lernverhalten im Unternehmen ganz neu strukturieren.
„Manche arbeiten seit Jahrzehnten an ihrem Schraubstock oder ihrer Maschine.
Wie macht man dieser Gruppe Lust, nochmal zu lernen?„
AQ: Herr Haag, was erfahren Sie aus der Belegschaft dazu?
Haag: Was die Leute umtreibt, ist der Produktwandel bei HELLER. Welche Produkte haben wir für die Transformation? Wo können wir neues Geschäft oder neue Geschäftsfelder generieren? Außerdem gibt es Bedenken, dass jemand, der früher Maschinen konstruiert hat oder Projekte geleitet hat, jetzt andere Themen übernehmen muss. Das ist eher ein Problem für die ältere Generation. Unsere Azubis sind in den digitalen Themen, am Smartphone und am Tablet fit. Schwieriger wird es bei unseren Leuten zwischen Mitte 50 und dem Rentenalter. Manche von ihnen arbeiten seit Jahrzehnten an ihrem Schraubstock oder ihrer Maschine. Jetzt können sie diese Tätigkeit so nicht mehr ausüben oder sie wird wesentlich digitaler. Da fragen wir uns natürlich: Wie macht man dieser Gruppe Lust, nochmal zu lernen? Wie macht man deutlich, dass all das eine Hilfestellung und kein Hindernis ist? Das ist wirklich eine große Frage für mich.
„Die Mitarbeiter, die eine gute Grundqualifizierung mitbringen,
wissen sich schneller zu helfen und haben weniger Stress“.
Zimmermann: Wir beobachten, dass die VUCA-Welt sehr real ist. Es ist sehr schnell und komplex geworden. Diejenigen Mitarbeiter, die eine gute Grundqualifizierung mitbringen, wissen sich schneller zu helfen und haben weniger Stress. Das ist ein weiteres Signal dafür, dass wir die Grundqualifizierungen weiter verstärken müssen.
AQ: Sie hatten vorher angedeutet, dass sich auch das Verständnis des Lernens ändern muss. In welche Richtung denken Sie da?
Zimmermann: Wir denken in die Richtung des selbstgesteuerten Lernens und haben beispielsweise über die Qualifizierungsgespräche und unser Weiterbildungsprogramm zum ersten Mal die sogenannten Massive Open Online Courses (MOOC) platziert. Dazu haben wir im Sommer fleißig kuratiert. Das heißt, wir haben kostenlose Online-Kurse von verschiedensten Plattformen und zu den verschiedensten Themen zusammengestellt und über unser Weiterbildungsprogramm verfügbar gemacht. Die Mitarbeiter sollen sich – insbesondere während Kurzarbeitsphasen – mit den Plattformen und der neuen Art zu lernen vertraut machen. MOOCs nutzen die Beschäftigten nämlich selbstständig, dann wenn es für sie zeitlich passt.
AQ: Gibt es da schon erste Resonanzen aus der Belegschaft? Auf die MOOCs zum Beispiel?
Zimmermann: Wir haben zu einzelnen Online-Kursen bereits sehr konkretes Feedback erhalten; sowohl zu den Inhalten als auch zur Art der Umsetzung. Ein Online-Kurs zum Thema Robotics hat sehr gute Resonanz ausgelöst. Wenn Kritik kam, dann zum Beispiel auf Grund des Englischakzents der Lehrenden im Video.
Haag: In anderen Bereichen haben wir Lerngruppen einberufen. Dort werde ich bald nachfragen, welche Erfahrungen gemacht wurden. Uns war wichtig, dass die Lerngruppen als zusätzliche Kurzarbeit zählen und an verschiedenen Tagen stattfinden. Ehrlicherweise wären sonst die Resonanz und die Teilnahme nicht so groß.
Zimmermann: Das ist auch ein Stück weit der Nachteil des TV-Quali. Es ist eine Gratwanderung. Manchmal entsteht die Erwartungshaltung: „Die Firma muss das jetzt liefern“. Der TV-Quali gibt Rahmen und Struktur vor, die dazu verleiten können, die Eigenständigkeit in den Hintergrund zu stellen. Das ist auf der einen Seite die Zuverlässigkeit, die ich erwähnt hatte, auf der anderen Seite muss man nicht selbst aktiv werden.
AQ: Wie wollen Sie in Zukunft diese eher passive Haltung verändern?
Zimmermann: Ich denke, einen Teil wird uns die Zeit abnehmen. Wir benötigen auf der einen Seite eine gute Grundqualifizierung und auf der anderen Seite die Fähigkeit, sich selbst und zeitnah bei einer Problemstellung weiterzuhelfen. Die erwähnten Beispiele neuer Lernformen unterstützen diese Änderung der Lernkultur.
AQ: Wie versuchen Sie von Betriebsratsseite die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitzunehmen und zu motivieren?
Haag: Wenn die Qualifizierungsgespräche anstehen, machen wir immer einen Aushang am schwarzen Brett und veröffentlichen einen Beitrag im Intranet. Vor Corona haben wir die Gespräche auch in Betriebsversammlungen angekündigt. Heute können wir vielleicht noch aktiver werden und sagen: Es gibt das Qualifizierungsgespräch, aber überlegt euch – darüber hinaus – Maßnahmen, auch wenn ihr sie vielleicht nicht im Schulungskatalog findet. Sprecht mit eurer Führungskraft über eure Wünsche.
„Je mehr eine Führungskraft selber schon Positives erfahren hat, umso mehr gibt sie auch Positives weiter“.
AQ: Tatsächlich spielt die Führungskraft eine wesentliche Rolle in der Weiterbildung. Haben Sie da noch einen Tipp, wie man die Führungskräfte motivieren kann, ihre Einstellung zu ändern?
Zimmermann: Am besten entwickelt man sie selbst. Ich glaube, je mehr eine Führungskraft schon eigene positive Erfahrungen mit Qualifizierung gemacht hat, umso mehr gibt sie auch Positives weiter und lässt auch mehr zu. Weiterbildung ist bei HELLER ein Teil der Führungsaufgabe, verankert im HELLER Führungsmodell.
AQ: Frau Zimmermann: Das letzte Jahr hat viele Herausforderungen gebracht. Was nehmen Sie persönlich daraus mit?
Zimmermann: Im letzten Jahr hat sich wirklich viel beschleunigt, einiges wurde aber auch verlangsamt. Was ich mitnehme, sind zwei Punkte: Einerseits ist mir deutlich geworden, was wichtig ist. Im privaten Bereich betrifft dies die Familie und das, was Lebensqualität ausmacht. Im beruflichen Kontext betrifft dies zum Beispiel die Zusammenarbeit im Team oder gut funktionierende Prozesse, also das, was in schwierigen Zeiten stabil bleibt und sich bewährt. Andererseits haben wir gleichzeitig neue Gegebenheiten. Diese müssen akzeptiert werden, eröffnen aber auch Chancen. Einige Dinge, die ich geplant aber nicht begonnen hatte, sind jetzt plötzlich möglich.
„Das, was mir in diesen Zeiten fehlt, ist das Menschliche.„
AQ: Herr Haag: Was nehmen Sie aus einem Jahr Corona mit?
Das persönliche Gespräch mit den Mitarbeitern hat darunter gelitten. Man versucht, möglichst wenig Leute zu treffen. Da sind auch das Intranet oder das schwarze Brett kein Ausgleich. Kolleginnen und Kollegen in 100 Prozent Kurzarbeit erreicht man so auch nicht. Ich nehme mit, dass wir als Betriebsrat mehr kommunizieren müssen, weil man aktuell nicht zwanglos die Stimmung in der Halle aufnehmen kann. Das ist unter Corona-Regularien ja ohnehin schwierig. Das vermisse ich wirklich. Außerdem fehlt mir der Austausch mit anderen Betriebsrats-Kollegen, die man normalerweise auf Präsenzschulungen trifft. Die virtuelle Welt ist für mich nicht das gleiche. Es fehlt zum Beispiel der Rahmen für den abendlichen Austausch. Da erfährt man einfach auch viel. Das, was mir in diesen Zeiten fehlt, ist das Menschliche.
Eine abschließende Bemerkung noch: Es ist, wie Frau Zimmermann sagt, immer eine Gratwanderung. Entweder hat man keine Zeit, weil man viel Geschäft hat. Dafür ist dann das Geld verfügbar. Jetzt hat man Zeit, aber kein Geld. Das ist wirklich ein Dilemma.
AQ: Das sind wahre Worte und ein guter Schlusspunkt. Frau Zimmermann, Herr Haag, Sie haben uns einen sehr interessanten Einblick in die Welt der Qualifizierung bei HELLER gewährt. Vielen Dank für Ihre Zeit und Ihre Offenheit.