Interview – 2020-02

Die Zukunft

beginnt mit

Qualifizieren


Im Interview

Wir haben uns mit Frau Dr. Hofmann, Leiterin des Teams Zusammenarbeit und Führung am Fraunhofer IAO in Stuttgart, und Prof. Dr. Florian Kunze, Inhaber des Lehrstuhls für Organisational Studies an der Universität Konstanz, über die Ergebnisse der Umfrage der AgenturQ zur digitalen Weiterbildung im Homeoffice ausgetauscht. Beide beschäftigen sich schon länger mit dem Thema Arbeiten im Homeoffice und haben jüngst eigene Studien zum Thema durchgeführt. Das Gespräch wurde am 17.Juni per Zoom geführt, ein Mitschnitt steht online zur Verfügung. Die folgenden Fragen und Antworten sind eine Zusammenfassung des ausführlichen Gesprächs.

AQ: Liebe Frau Hofmann, lieber Herr Kunze, die AgenturQ hat in Kooperation mit der Universität Konstanz eine Umfrage zur digitalen Weiterbildung im Homeoffice durchgeführt. Welche Ergebnisse waren für Sie interessant?

Hofmann: Für mich war doch überraschend, wie viele Personen digitale Weiterbildungen wahrgenommen haben. Das spricht vielleicht für das Bildungsbewusstsein der Teilnehmer. Aber es hat sicherlich auch etwas damit zu tun, dass sie derzeit ausschließlich im Homeoffice sind und gute Möglichkeiten haben, die digitale Weiterbildung in der Arbeitspause zu machen. Und vielleicht ist so eine Weiterbildungseinheit auch eine gute Abwechslung zum täglichen einsamen Arbeiten zu Hause. Man kann vielleicht in eine andere Welt eintauchen.

Kunze: Es ist sehr erfreulich, dass zwei Drittel der Befragten aussagen, dass sie die Möglichkeit haben, digitale Weiterbildung wahrzunehmen und dies zu einem großen Teil auch schon gemacht haben. Ich möchte aber an dieser Stelle auch auf eine starke Ungleichheitsdimension hinweisen. Nicht jeder hat die Möglichkeit, ins Homeoffice zu gehen. Das hängt von den Qualifikations- und auch Einkommensniveaus ab. Repräsentative Studien zeigen, dass 60 Prozent der Beschäftigten nicht im Homeoffice waren. Und nicht jeder hat die Muse, sich im Homeoffice auch noch weiterzubilden.

AQ: Frau Hofmann, welche Möglichkeiten haben Unternehmen, Mitarbeitende im Homeoffice abzuholen und digitale Weiterbildung anzubieten?

Hofmann: Wenn man kein größeres Unternehmen mit einem eigenen Weiterbildungsangebot ist, sollte man eine Liste machen und offensiv bewerben, was man eigentlich im Unternehmen schon jetzt alles an Angeboten hat, die man online durcharbeiten kann, um potentielle Leerzeiten sinnvoll auszufüllen. Es hängt schlicht an der Zugänglichkeit und an der Information, was alles verfügbar ist. Dann braucht es natürlich eine Qualitäts- und Relevanzbewertung der Angebote, wie soll sonst ein einzelner Arbeitnehmer über die Angebote entscheiden? Die digitalen Weiterbildungsangebote müssen vorausgesucht und vielleicht empfohlen werden. Denn wenn das Angebot nicht von der Führungskraft oder dem Personalentwickler an mich herangetragen wird, stelle ich es mir schwierig vor, abends um halb sieben noch selbst das passende Angebot herauszufinden. Und dann muss natürlich geklärt werden, ob die digitale Weiterbildung im Homeoffice Arbeitszeit ist oder nicht, ob ich sie genehmigen lassen muss. Und natürlich auch die Frage, wer für das Angebot bezahlt. Es fängt dann an, sehr kompliziert zu werden. Da braucht es definierte Prozesse.  

AQ: Welche Rolle spielen die Führungskräfte? Können sie digitale Weiterbildung im Homeoffice unterstützen? 

Kunze: Das ist in der Tat so. Neben der Tatsache, dass Weiterbildungsangebote vorhanden sein müssen und diese auch kommuniziert werden, liegt es an der Führungskraft, dass gemeinsam mit den Mitarbeitenden Weiterbildungsziele und auch Weiterbildungsinhalte definiert werden. Da sind die Führungskräfte in der Pflicht. Das spielt natürlich jetzt eine noch viel größere Rolle. Aber momentan gibt es auch die Herausforderung, in dieser Ausnahmesituation gute Führung zu praktizieren. Wenn man Fulltime ins Homeoffice kommt, müssen die Führungskräfte auch erstmal den Laden am Laufen halten. Es muss geklärt werden, wie man über die zentralen operativen Dinge kommuniziert und wie man das Team zusammenbringt. In dieser Situation sich über die Weiterbildungsmotivation Gedanken zu machen, ist schwierig und eine große Herausforderung. Aber in der Tat ist es so, dass Mitarbeitende erwarten, dass auf ihre individuellen Bedürfnisse eingegangen wird.

Wenn man jetzt über eine Verstetigung des Homeoffice nachdenkt, dann muss man ganz stark die Führung mitdenken und die Führungskräfteentwicklung auch in diese Richtung steuern. Es müssen Kompetenzen aufgebaut werden, wie ich denn remote führe, wie ich aus der Distanz führe. Da geht es darum, dass man die richtigen Tools an die Hand bekommt.

Hofmann: Ich kann meinem Vorredner da nur Recht geben. Führung aus der Distanz ist ein Riesenthema. Bei der über Nacht veränderten Führungssituation noch auf Lernthemen einzugehen, kann man nicht erwarten. Gleichwohl haben Führungskräfte eine zentrale Funktion. Die These einer früheren Studie mit Südwestmetall war, dass die wichtigste Lernumgebung eines Arbeitnehmers die Führungskraft ist. Wenn es gut läuft, hat sie den Blick darauf, wo der Einzelne steht, was er braucht, wo er sich hin entwickeln muss. Die Personalentwicklung ist zu weit weg vom einzelnen Arbeitnehmer. Das Problem ist nur, dass Führungskräfte so gut wie keine Zeit haben und die Weiterbildung in der Bewertung ihrer Führungsleistung keine Rolle spielt.

AQ: Herr Kunze, wie verändert sich die berufliche Weiterbildung in Zukunft? Ist Corona ein Transformationsbeschleuniger hin zu mehr digitaler Weiterbildung? Lernen wir zukünftig verstärkt in virtuellen Welten?

Kunze: Prognosen sind nicht einfach. Aber die Frage treibt natürlich alle Akteure auf dem Weiterbildungsmarkt um. Das sieht man auch jetzt schon. Es gibt neue Konzepte und Versuche, den Content anders anzubieten und die Inhalte zu digitalisieren. Das wird auch bis zu einem gewissen Maße klappen, ist aber gleichzeitig nicht ganz einfach. Es gibt zum Beispiel Webinare, durch die ich mich durchklicke, um mir einen Inhalt beizubringen. Aber es gibt auch eine starke soziale Komponente beim Lernen. Wenn es beispielsweise darum geht, Führungskompetenz zu erlernen, bringt es mir relativ wenig, mich durch ein Webinar zu klicken. Da muss ich auch üben, praktizieren, mich austauschen und interagieren. Und da die richtige Form hinzubekommen und diese digital und webbasiert zu machen und effizient zu gestalten, ist die große Herausforderung für Weiterbildungsanbieter. Dass gerade diese komplexen Weiterbildungsformen gut funktionieren und vollständig digitalisiert werden, ist sicherlich noch ein Schritt. Da wird es auch immer noch die Präsenzweiterbildung geben, zumindest als eine Komponente. Andererseits glaube ich schon, dass die Corona-Krise und dieser Digitalisierungsschub, den wir in vielen Bereichen haben, sich auf den Weiterbildungsmarkt auswirken und dort eine Transformation auslösen werden.

AQ: Was können wir Unternehmen hinsichtlich der Umsetzung von digitaler Weiterbildung im Homeoffice raten? Was müssen die Unternehmen aus Ihrer Sicht beachten?

Hofmann: Die Unternehmen sollten mit den Beschäftigten ins Gespräch kommen und sich nach den ersten Erfahrungen über das Erlebte austauschen.Sie müssen nachfragen, was die Beschäftigten konkret gelernt haben und in Erfahrung bringen, was es an digitalen Grundkompetenzen braucht. Sie müssen jetzt den Schwung mitnehmen, um auch über kleinere digitale Weiterbildungsformate nachzudenken.

Kunze: Zunächst muss man festhalten, dass viele Unternehmen gelernt haben, dass viel mehr im Homeoffice geht, als sie eigentlich gedacht haben. Der Rat ist, dass man auch mal etwas ausprobieren muss. Man muss die Erfahrung dann aber auch im persönlichen Kontext evaluieren und sich die Frage stellen, wie die digitale Weiterbildung im Homeoffice funktioniert hat. Wichtig ist es auch, die Führungskräfte in den Blick zu nehmen. Sie sind dafür verantwortlich, eine entsprechende Weiterbildungskultur zu etablieren. Und natürlich müssen zunächst die strukturellen Voraussetzungen für das Arbeiten im Homeoffice geschaffen werden.

AQ: Liebe Frau Hofmann, lieber Her Kunze, herzlichen Dank für das Gespräch.