20. August 2020  |  
Gastbeitrag

Vielfältige Möglichkeiten dank Anerkennung von Kompetenz

Viele Menschen verfügen über Kompetenzen, die sie sich im Laufe ihres Berufslebens oder auch im privaten Bereich angeeignet haben. Oftmals bleiben die Kompetenzen – obwohl sehr wertvoll – aber im Verborgenen. Warum? Weil diese Kompetenzen in der Vergangenheit nie sichtbar gemacht wurden und deshalb im Unternehmen keine Anwendung gefunden haben. Deshalb ist es wichtig und an der Zeit, dass es Verfahren gibt, mit denen diese Kompetenzen bewertet und zertifiziert (validiert) werden. Solche Verfahren können nämlich helfen, die vorhandenen Kompetenzen von Personen sichtbar zu machen, die Chancen auf dem Arbeitsmarkt damit zu erhöhen oder weiterführende berufliche und betriebliche Qualifizierungen zu ermöglichen. Dabei ist es nicht das Ziel der Validierungsverfahren, die etablierten Ausbildungssysteme zu ersetzen.

In der Nationalen Weiterbildungsstrategie (NWS) ist unter der Überschrift „Erworbene Kompetenzen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in der beruflichen Bildung sichtbar machen und anerkennen“ unter anderem Folgendes zu lesen: „Die Partner der NWS begrüßen ein bundesweit standardisiertes Verfahren zur Erfassung, Bewertung und Zertifizierung nonformal und informell erworbener beruflicher Kompetenzen (…) In Umsetzung der NWS prüfen BMBF und Länder unter Einbezug der Sozialpartner Möglichkeiten und Varianten einer bundesweit verbindlichen Verankerung des erprobten Validierungsverfahrens.“

Ein solches Verfahren wurde beispielsweise im Rahmen des Projekts ValiKom bereits entwickelt. Neben diesemöffentlich geförderten Projekt gibt es aber bereits zahlreiche weitere Ansätze, informell und non-formal erworbene Kompetenzen sichtbar zu machen. So zum Beispiel auch das Instrument AiKomPass der AgenturQ.

Angesichts der Vielzahl an unterschiedlichen Verfahren, Instrumenten, Methoden und Konzepten, müssen einheitliche Standards eingeführt werden. Dadurch können die Erfassung und Dokumentation von nachgewiesenen beruflichen Kompetenzen durch hierfür geeignete Anbieter auf eine verlässliche Basis gestellt und vergleichbar gemacht werden.

Das öffentlich geförderte Projekt ValiKom könnte hierfür eine gute Grundlage bieten. Voraussetzung dafür ist, dass die erarbeiteten Standards auch anderen Trägern und Institutionen zur Verfügung stehen und die Validierung der Kompetenzen durch diese erfolgen kann, wenn die notwendigen personellen Ressourcen zur Verfügung stehen. So bestünde sogar die Möglichkeit, dass Betriebsparteien die Validierungsverfahren selbst durchführen könnten.

Eine ausschließliche Hinführung der ValiKom-Verfahren auf die Externenprüfung ist aus meiner Sicht zu eng gefasst. Natürlich sollte bei einer festgestellten annähernden Gleichwertigkeit der Kompetenzen das Ablegen der Externenprüfung immer das Ziel sein. Denn nur durch eine erfolgreiche Teilnahme an der Externenprüfung wird der entsprechende Berufsabschluss auch erst (formal) erworben. Das heißt aber auch, dass das vorgelagerte Validierungsverfahren zur Externenprüfung nicht zum gleichen Ergebnis führen kann, wie die Externenprüfung selbst.

Entsprechend kann das Ergebnis der Fremdbewertung auch nicht die Bescheinigung der vollen Gleichwertigkeit der informell erworbenen Kompetenzen mit dem durch die Externenprüfung erworbenen formalen Berufsabschluss darstellen. Der Fokus von Validierungsverfahren muss daher breiter sein. Sie müssen neben dem Weg zur Externenprüfung zum Beispiel auch Wege zu vielfältigen und passgenauen Weiterbildungen eröffnen.

Die Sichtbarmachung von informell erworbenen Kompetenzen kann demnach eine gut geeignete Grundlage für eine weiterführende Qualifizierung sein, die wiederum selbst zum Berufsabschluss führen kann, wie etwa die Teilqualifikationen für geringqualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

In diesem Zusammenhang sollte auch nochmals darauf geschaut werden, welche Art von Anrechnungsmöglichkeiten es geben könnte. Ich bleibe bei meinem Beispiel der Teilqualifikationen, damit könnten aber auch andere Formen der Weiterbildung gemeint sein.

Teilqualifikationen (TQ) sind aus einzelnen Modulen zusammengesetzte Qualifizierungsmaßnahmen, die bei Durchlaufen aller Module eine gute Grundlage bieten zur Externenprüfung zugelassen zu werden. Die Module (meistens sechs pro Berufsbild) sind inhaltlich und zeitlich unabhängig voneinander durchführbar.
Aus meiner Sicht wäre es nun erstrebenswert, wenn zum Beispiel festgestellte und validierte informell erworbene Kompetenzen auf einzelne Module einer TQ angerechnet werden könnten. Im besten Fall erspare ich mir dadurch das Durchlaufen bestimmter Module und muss anstatt zum Beispiel nur vier der sechs Module absolvieren. Dies wäre zumindest meines Erachtens heute prinzipiell schon möglich.

Es gibt aber aus meiner Sicht noch weitere Anknüpfungspunkte. Es könnte ja sein, dass jemandem noch eine oder mehrere erforderliche Kompetenzen fehlen, um eine Gleichwertigkeit seiner Kompetenzen zu einem Berufsabschluss bescheinigt zu bekommen. Dieses Kompetenzdefizit könnte dann durch die Teilnahme an einer TQ ausgeglichen werden.

Wenn es uns also gelingt, die Feststellung von informell erworbenen Kompetenzen zu standardisieren und mit weiteren Weiterbildungsangeboten sinnvoll zu verknüpfen, um dann am Ende die Externenprüfung abzulegen, würden wir sehr vielen Beschäftigten in Baden-Württemberg und in Deutschland zu einem Berufsabschluss verhelfen. Wir alle wissen, wer einen Facharbeiterabschluss in der Tasche hat, dem fällt es im Unternehmen und auf dem Arbeitsmarkt meist leichter, wenn es um Beschäftigungssicherung geht.

Ein Gastbeitrag von Thorsten Würth

Thorsten Würth ist Mitarbeiter beim Arbeitgeberverband Südwestmetall. Er ist dort für die Themenfelder Arbeitsmarktpolitik und Weiterbildung zuständig.