25. November 2019  |  
Gastbeitrag

Weiterbildung: Herausforderung und Chance oder gar Pflicht?

Ein Gastbeitrag von Christian Rauch, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Bundesagentur für Arbeit – RD Baden-Württemberg

Fachkräftemangel, Demografie, Digitalisierung, E-Mobilität, Nachhaltigkeit und Klimawandel: alles bekannte und mittlerweile unbestrittene Trends und Herausforderungen für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt. Aber was heißt das für mich als Personalverantwortlichen, für mich als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer? Diese Frage lässt sich heute noch nicht so genau beantworten, wie es manchmal wünschenswert wäre. Hier beginnt die berühmte VUKA-Welt, gekennzeichnet durch Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambivalenz.

Eines lässt sich heute aber schon sagen: Wenn die Firmen weiterhin Innovationsführer sein wollen, brauchen sie hochqualifizierte Köpfe. Wer als Angestellte oder Angestellter trotz der Veränderungen am Arbeitsmarkt weiterhin wettbewerbsfähig sein will, benötigt neues, zusätzliches und in immer kürzeren Zyklen aktualisiertes Wissen. Mit dem Modell der Future Skills haben der Stifterverband der Wirtschaft und die Unternehmensberatung McKinsey ein hinreichend klares Bild der neuen Anforderungen gezeichnet.

Vor allem Fachkräfte müssen sich weiterbilden
Neu an der Digitalisierung in ihrer Auswirkung auf den Arbeitsmarkt ist auch, dass sie sich – stärker als andere technologische Entwicklungen in der Vergangenheit – nicht vorrangig auf die Ebene der Geringqualifizierten auswirkt, sondern insbesondere die Ebene der Facharbeiter, Meister, Techniker und Ingenieure treffen wird, in großen wie in kleinen Unternehmen.
Hieraus ergeben sich die Herausforderungen für alle Akteure:

1. Wie schaffen wir es, dass Beschäftigte in kleinen und mittleren Unternehmen, die bei der Weiterbildungsbeteiligung in der Vergangenheit traditionell unterrepräsentiert waren, den gleichen Zugang haben wie bei Großunternehmen?
2. Wie schaffen wir es, dass die richtigen Angebote inhaltlich angepasst und in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen?
3. Wie schaffen wir es, dass die Hochschulen ihr Wissen und ihr Know-how noch stärker und über die Masterstudiengänge hinaus in das betriebliche und durch die Bundesagentur für Arbeit seit dem 01. Januar 2019 förderfähige Angebot einbringen können?
4. Wie schaffen wir es, dass sich auch die in der Vergangenheit nicht so weiterbildungsaffinen Personengruppen in den Belegschaften entsprechend weiterbilden?

Qualifizierung als Garant für Wettbewerbsfähigkeit
Mit der Agentur Q als „Entwicklungslabor“ der Sozialpartner der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg, den Qualifizierungsverbünden als besonderes Angebot für kleine und mittlere Unternehmen in Baden-Württemberg sowie den Beratungs- und Förderangeboten der Agenturen für Arbeit stehen starke Partner für diese Herausforderungen zur Verfügung. Zudem ergänzen und erweitern leistungsfähige Bildungseinrichtungen und Hochschulen laufend ihre Angebote.

In den zurückliegenden Jahren habe ich oft in den Betrieben gehört: „Wir haben so viele Aufträge und Arbeit und machen Überstunden, für Weiterbildung haben wir gerade keine Zeit.“ Leider stellt sich die Auftragslage vielfach aktuell nicht mehr so positiv dar. Ich würde mich freuen, wenn ich jetzt hören könnte: „Wir haben aktuell zwar etwas weniger Aufträge, aber wir nutzen die Zeit für die Weiterbildung und machen uns fit für die Herausforderungen.“

Wir brauchen auch weiterhin die gleiche Zahl an Fachkräften als Garanten für Innovation und Wettbewerbsfähigkeit, nur brauchen wir sie mit teilweise grundlegend veränderten und erweiterten Kompetenzen. Hier müssen wir alle jetzt ansetzen, wenn wir nicht einfach die Klage über den Fachkräftemangel – nur mit verändertem Berufen – erneut anstimmen wollen, sobald die Konjunktur wieder anzieht.