15. April 2021  |  
Gastbeitrag

Weiterbildung # weiterdenken

20 Jahre TV-Quali in Baden-Württemberg sind ein Anlass, einmal zurückzuschauen und festzuhalten, was wir erreicht haben, aber auch den Blick nach vorne zu richten: Was steht uns noch bevor?

Wo kommen wir nun her?

Bis 2006 gab es eine strikte Trennung, Weiterbildung Beschäftigter ist Aufgabe der Wirtschaft. Der Staat – vertreten durch die Bundesagentur für Arbeit (BA)- kümmert sich um die Qualifizierung Arbeitsloser. 2005 haben die Sozialpartner im Verwaltungsrat der BA die Initiative ergriffen und nach langer durchaus kontroverser Diskussion gemeinsam das Programm WeGebAU (Weiterbildung Geringqualifizierter und beschäftigter Älterer in Unternehmen) modellhaft geschaffen. Von Teilen wurde es damals als ordnungspolitischer Sündenfall bezeichnet. Im Fokus standen Zielgruppen des Arbeitsmarktes, vor allem Menschen ohne jeden Berufsabschluss und Ältere. Übergeordnetes Ziel war es, diesen Menschen Chancen durch Bildung zu eröffnen. Später wurde WeGebAU um den Fokus „Abbau von Fachkräfteengpässen“ weiterentwickelt. Insbesondere im Metall- und Elektrobereich wurden mit dem sog. „Dritten Weg“ mit Teilqualifikationen auch neue Wege im Bereich der beruflichen Bildung beschritten.

Mit den sich abzeichnenden Herausforderungen der Digitalisierung und der Transformation der Automobilindustrie, entwickelte sich der Konsens aller Beteiligten, dass die darin liegenden Herausforderungen auf Seiten der Beschäftigten nicht alleine von den Betrieben geschultert werden können. Der Gesetzgeber hat mit dem Qualifizierungschancengesetz das Instrument gesetzlich etabliert und mit dem Arbeit-von-Morgen-Gesetz sehr schnell weiterentwickelt und attraktiver gemacht. In den Fokus ist jetzt die Weiterbildung der von dem Strukturwandel betroffenen Beschäftigten getreten, Facharbeiter und sogar Akademiker gehören erstmalig uneingeschränkt zur förderfähigen Zielgruppe.

Ist damit alles gut?

Mitnichten. Jetzt gilt es, das alles mit Leben zu erfüllen.

Viele Akteure fragen sich, wohin soll ich eigentlich qualifizieren? Welche Kompetenzen brauchen meine Mitarbeitenden in fünf Jahren. Hier geben verschiedene Studien Orientierung, Gewissheit gibt es dazu nicht. Im letzten Jahr haben sich jedoch viele interessante – auch förderfähige – Angebote dazu am Bildungsmarkt entwickelt.

Schon kommt die nächste Herausforderung.
Mehr als 50% der Personalverantwortlichen haben in einer Befragung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung gesagt, das Haupthemmnis sei, dass „sie die entsprechenden Angebote nicht kennen“. Hierzu gibt es verschiedene Initiativen des Landes und der BA, die aber alle anscheinend noch nicht richtig greifen.

Es gibt Angebote und die Personalverantwortlichen kennen sie auch; alles gut?

Leider nein!

Alle im Personalbereich tätigen machen die Erfahrung, dass das Angebot von Weiterbildung allein nicht durchgängig Begeisterung bei den Beschäftigten auslöst. Insbesondere Tätigkeiten mit zunehmenden Routineanteilen scheinen – unabhängig von der Qualifikation – die Motivation der dort Beschäftigten für Weiterbildung negativ zu beeinflussen.
Lernen ohne Motivation funktioniert aber nicht. Wie können wir die Motivation erhöhen?

Ein Großteil der Weiterbildungsangebote findet noch im Klassenraum statt und ist im Bereich Startterminen und Ablaufzeiten eher unflexibel. Es gibt schon sehr gute, rein digitale und sehr flexible Angebote. Diese Beispiele müssen aber sehr viel mehr und bekannter werden. Flexibilität und vorher festzulegende Stundenpläne passen nicht zueinander.

Berufliche Weiterbildung bewegt sich traditionell im erlernten Beruf und in der Regel auch in der Branche. Die Diskussion, „ein Arbeiter am Band kann nicht in der IT arbeiten“, die mir immer wieder begegnet ist, zeigt, dass wir Themen gerne in der BOX denken. Erste Beispiele in Unternehmen und auch die Herausforderungen des Strukturwandels zeigen jedoch sehr deutlich, dass wir hier out of the BOX unserer bewährten beruflichen Bildung denken müssen und dies auch erfolgreich möglich ist.

Sie als Leser könnten bei meinen Ausführungen jetzt vielleicht jetzt zum Schluss kommen, dass ich die Zukunft pessimistisch sehe. Keinesfalls. Ich bin überzeugt, dass wir in Baden-Württemberg in der bewährten Sozialpartnerschaft mit den staatlichen Akteuren diese Herausforderungen erfolgreich meistern können. Die Agentur Q ist dabei für mich ein wichtiger Partner.

Ein Gastbeitrag von Christian Rauch

Christian Rauch ist Vorsitzender der Geschäftsleitung der Bundesagentur für Arbeit – RD Baden-Württemberg