5. April 2023  |  
Gastbeitrag

Weiterbildungsförderung Beschäftigter: Status Quo und Quo Vadis?

In diesem Kommentar geht es um eines meiner Herzensthemen: Die geförderte berufliche Weiterbildung für Beschäftigte – bereits ein paar Mal vom Gesetzgeber novelliert, noch immer nicht sexy aber mit super viel Potential!

Wie angesprochen fördert die Bundesagentur für Arbeit nicht nur die Weiterbildung von Arbeitslosen, sondern unter gewissen Voraussetzungen auch die von Beschäftigten. Der aktuelle Plan der Bundesregierung die Beschäftigtenförderung deutlich auszubauen, wird politisch intensiv diskutiert [4]. Vor diesem Hintergrund wird im Folgenden ein Überblick über den aktuellen Stand der einschlägigen Forschung skizziert und der Aufruf für mehr Anwendung in der Praxis geteilt – the future is now!

Eintritte nehmen zu – liegen aber auf recht niedrigem Niveau

Aktuellste Zahlen der insgesamt sehr spärlichen Datenlage liefert die Antwort des Deutschen Bundestags vom 09. März 2023 auf die Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke [3]:

Von Januar bis Oktober 2022 haben rund 33.800 Beschäftigte an einer durch die Bundesagentur für Arbeit geförderten Maßnahme zur beruflichen Weiterbildung teilgenommen.

Nach einem pandemiebedingten Rückgang von etwa 34.600 Eintritten (2019) auf rund 29.800 (2020) hat die Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sich danach wieder erholt auf zirka 34.000 im Jahr 2021 und etwa 33.800 bis Oktober 2022. [3] Es lässt sich nur vermuten, dass die Zahlen im weiteren Jahresverlauf 2022 für ein neues Allzeithoch sorgen. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) spricht im aktuellen Kurzbericht von einem „positiven Trend auf niedrigem Niveau“ – na immerhin [7]. Zur Einordnung: Zwischen den Jahren 2016 und 2019 stiegen die Zugangszahlen von gut 15.000 auf etwa 34.600 pro Jahr an. [5]

Viele Betriebe nutzen die Förderprogramme (noch) nicht

Doch warum finden die Förderinstrumente der Bundesagentur für Arbeit (BA) – namentlich mit dem §81 SGB III Förderung der beruflichen Weiterbildung; dem §82 SGB III Qualifizierungschancengesetz und Gesetz zur Förderung der beruflichen Weiterbildung im Strukturwandel und zur Weiterentwicklung der Ausbildungsförderung („Arbeit-von-morgen-Gesetz“) sowie dem §106a SGB III Beschäftigungssicherungsgesetz noch immer solch eine geringe Nachfrage bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern?

Liegt es vielleicht daran, dass die Förderkriterien genau so kompliziert gestaltet sind wie ihre voranstehende Nomenklatur? Ok, Spaß beiseite – auf Basis einer Betriebsbefragung des IAB zeigt sich, dass viele Betriebe das Förderinstrumentarium der Bundesagentur für Arbeit erst gar nicht kennen.

Demnach sind nur einem Drittel der befragten Betriebe die Möglichkeiten bekannt. Nur neun Prozent haben diese bereits in Anspruch genommen [6].

Einen vertieften Einblick in die Hürden der Inanspruchnahme bietet auch ein qualitatives Forschungsprojekt des IAB, bei welchem 20 Experten von April bis September 2021 leitfadengestützt interviewt wurden. Neben einem geringen Bekanntheitsgrad ist es insbesondere für kleine und mittlere Betriebe (KMU) schwer das Tagesgeschäft mit dem mit der Weiterbildung verbundenen Arbeitsausfall zu kompensieren. Gerade längere Weiterbildungen (mehr als 120 Stunden) sind herausfordernd in Planung und Durchführung. Große Betriebe verfügen häufig selbst über passgenaue und flexible interne oder externe Weiterbildungsformate – greifen dadurch weniger auf das Angebot zurück [1].

Allgemein werden ebenfalls der hohe Bürokratieaufwand und die notwendige Zertifizierung von Weiterbildungsträgern und -maßnahmen als eher hinderlich beschrieben [1].

Die Ergebnisse meiner Masterthesis (Februar 2022) zu den hemmenden und förderlichen Faktoren für eine Inanspruchnahme dieser Förderinstrumente des SGB III in der Metall-/Elektro- und Textil-/Bekleidungsindustrie in Baden-Württemberg ergaben ein ähnliches Bild:

In der Gesamtbetrachtung war festzustellen, dass 55% der befragten Unternehmen in BW die Förderinstrumente des SGB III zwar kennen, aber erst 16% diese in der Vergangenheit genutzt haben. Insbesondere der Abbau von Bürokratie, zusätzliche Informationen sowie ein breites Beratungs- und Begleitungsangebot fördert eine Inanspruchnahme. Der hemmende Zeitfaktor steht hier über monetären Belangen im betrieblichen Kontext.

Förderliche Faktoren und unterstützende Angebote – gute Basis für mehr Anwendung vorhanden

Doch nun zu den förderlichen Faktoren einer Inanspruchnahme, welche es zu stärken gilt: Mohajerzad et al. [8] sehen im Ausbau der Beratungsangebote für Unternehmen und Beschäftigte einen großen Hebel. Direkte Hilfestellung finden Sie heute schon bei:

– dem Arbeitgeberservice (AGS) und der Berufsberatung im Erwerbsleben (BBiE) der BA

– dem breiten Beratungsangebot der AgenturQ

– den Verbundmanager:innen im Projekt Qualifizierungsverbünde Baden-Württemberg des Bildungswerks der Baden-Württembergischen Wirtschaft e. V.

Dies spiegelt sich ebenfalls in den Antworten der befragten Betriebe der M+E und Textilindustrie (N=138) meiner Masterthesis. Das Beratungs- und Begleitungsangebot der Agentur für Arbeit wird mit rund einem Fünftel als stark begünstigen und gut 40% als begünstigend gewertet. Beim Angebot von Dritten verhält es sich ähnlich. Insgesamt ist es wichtig, dass durch Information und Begleitung es für den Arbeitgeber und die Arbeitnehmer einfacher wird eine Förderung in Anspruch zu nehmen.

Als weitere Faktoren wurde die Unternehmenskonformität in den Angeboten und Formaten von Weiterbildung als sehr wichtig eingeschätzt. Eine Kostenreduktion wird sowohl bei den indirekten Kosten (Zuschuss Lehrgangskosten) sowie bei den direkten Kosten (Zuschuss Arbeitsentgelt) gefordert. Unter dem Mantel der Arbeitgeberattraktivität wird die Mitarbeitendenbindung und (gelebte) Lernkultur als begünstigend gewertet.

Mehr Mut in der Umsetzung, um Chancen (auch im Kleinen) zu nutzen

Grundsätzlich sollte man aufhören zu lamentieren über Kriterien, welche noch nicht zu 100% in die jeweilige Betriebspraxis passen, sondern versuchen lösungsorientiert an Umsetzungsmöglichkeiten zu arbeiten. Vielleicht erinnern wir uns dabei an Pareto (80/20) oder ermöglichen die Weiterbildung einfach ohne Förderprogramm?! Insbesondere weiterbildungsferne Gruppen benötigen vielseitige Unterstützung: in der Aktivierung, der Auswahl, der Buchung, der Durchführung und schlussendlich bei der Implementierung des Gelernten. Dies kann auch in der geförderten beruflichen Weiterbildung dazu beitragen, proaktiv dem „Matthäus-Effekt“ (= Bildungsnahe bilden sich mehr weiter) entgegenzuwirken. [8]

Teilen Sie bitte Ihre Erfolgsstorys und bitte auch die Erfolglosen, aus welchen man noch Lernen kann, es beim nächsten Versuch besser zu machen!

Es bleibt spannend, was sich aus dem in Ressortabstimmung des Bundestags befindlichen Weiterbildungsgesetz noch ergeben mag. Dadurch soll die Weiterbildungsbereitschaft von Beschäftigten und Unternehmen weiter gestärkt werden. Wesentliche Inhalte sind im Wesentlichen die Einführung einer Ausbildungsgarantie, die Reform der Weiterbildungsförderung Beschäftigter nach § 82 SGB III, die Einführung eines Qualifizierungsgeldes sowie einer Bildungs(teil)zeit. [2]

Ich wünsche MIR ein mutiges Jahr des Umsetzens für die Qualifizierung und Weiterbildung in der Breite – ob nun gefördert oder nicht – lasst es UNS gemeinsam anpacken!

„Wer mit Weiterbildung aufhört, um Geld zu sparen, kann auch seine Uhr anhalten, um Zeit zu sparen.“ Manfred Arnu

Gastautor: Maximilian Mühlhausen (M. A.), Learning Business Manager @ ZEISS Group

Quellenangabe:

[*] Zur besseren Lesbarkeit wird in diesem Beitrag das generische Maskulinum verwendet. Die in diesem Beitrag verwendeten Personenbezeichnungen beziehen sich – sofern nicht anders kenntlich gemacht – auf alle Geschlechter.

[1] Biermeier, Sandra; Dony, Elke; Greger, Sabine; Leber, Ute; Schreyer, Franziska; Strien, Karsten (2023): Warum Betriebe die Weiterbildungsförderung für Beschäftigte bislang eher wenig nutzen, IAB-Forum, 18. Januar 2023, Abrufdatum: 16.03.2023.

[2] Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2023): Gezielte Weiterbildung. Fachkräfte und Integration, Abrufdatum: 09.03.2023.

[3] Deutscher Bundestag (2023): Vier Jahre Qualifizierungschancengesetz und Folgegesetze – Allgemeine Entwicklung der durch die Bundesagentur für Arbeit geförderten beruflichen Weiterbildungen. Drucksache 20/5753, 20. Februar 2023, Abrufdatum: 09.03.2023

[4] Dietrich, Hans; Fitzenberger, Bernd; Janssen, Simon; Kruppe, Thomas; Lang, Julia; Leber, Ute; Osiander, Christopher; Seibert, Holger; Stephan, Gesine (2023): Reform der Weiterbildungsförderung Beschäftigter nach §82 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) – Weiterbildungsgesetz. IAB-Stellungnahme Nr. 1, 13. Januar 2023, Abrufdatum: 16.03.2023.

[5] Klaus, Anton; Kruppe, Thomas; Lang, Julia; Roesler, Konrad (2020): Geförderte Weiterbildung Beschäftigter: Trotz erweiterter Möglichkeiten noch ausbaufähig. IAB-Kurzbericht Nr. 24, 15. Dezember 2020, Abrufdatum: 16.03.2023.

[6] Kruppe, Thomas; Lang, Julia; Leber, Ute (2021): Nur jeder zehnte Betrieb nutzt die Weiterbildungsförderung der Bundesagentur für Arbeit. IAB-Forum, 17. Mai 2021, Abrufdatum: 16.03.2023.

[7] Kruppe, Thomas; Lang, Julia (2023): Geförderte Weiterbildung von Beschäftigten: Positiver Trend auf niedrigem Niveau. IAB-Forum 6. Februar 2023, Abrufdatum: 16.03.2023.

[8] Mohajerzad, H., Fliegener, L. & Lacher, S. (2022) Weiterbildung und Geringqualifizierung in der Digitalisierung– Ein Review zu Kontextfaktoren der Weiterbildungsbeteiligung Geringqualifizierter. ZfW 45, 565–588, Abrufdatum: 16.03.2023.

[9] Pixabay (2023) Never stop learning, Abrufdatum: 25.03.2023.