
Am 28. September fand in Stuttgart in der Liederhalle der Fachtag „Zukunft sichern – Weiterbildung gestalten“ statt. Gleich drei Landesministerien hatten gemeinsam eingeladen. Über 300 Teilnehmende waren an dem Tag versammelt, um zum Beispiel über Fragen wie das Matching von Angebot und Nachfrage beruflicher Weiterbildung zu diskutieren, über passende und innovative Weiterbildungsformate oder die Qualitätssicherung von Weiterbildungen. Ministerpräsident Kretschmann selbst hat den Fachtag eröffnet. Bereits im Frühsommer wurde die gemeinsame Weiterbildungskampagne von Wirtschafts-, Kultus- und Wissenschaftsministerium „The Chänce“ gelauncht, quasi als Landing-Page für an Weiterbildung interessierte Beschäftigte, Unternehmen und die Weiterbildungseinrichtungen selbst.
All das passt so gar nicht der Aussage von Andreas Stoch, SPD-Fraktionsvorsitzender im Landtag von Baden-Württemberg, Anfang August in einem dpa-Interview, demnach man den Eindruck haben kann, dass die Landesregierung beim Thema Weiterbildung einfach abwartet, was passiert. Natürlich: Mehr geht immer. Aber immerhin: Baden-Württemberg hat im vorletzten Jahr als erstes Bundesland die ressortübergreifende Weiterbildungsoffensive WEITER.mit.BILDUNG@BW auf den Weg gebracht. 40 Millionen Euro lässt sich das Land die Weiterbildungsoffensive kosten. Auch die AgenturQ profitiert von der Förderung und beteiligt sich mit dem durch das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg geförderten Projekt “Innovative Weiterbildungsbausteine für ” an der Offensive. Jetzt geht es darum, die ministeriumsübergreifende Strategie mit Leben zu füllen. Die Angebote und Projekte der einzelnen Ministerien müssen verzahnt werden und sich gegenseitig ergänzen.
Viele Aktivitäten der Landesregierung
Schon jetzt ist aber nach meiner Ansicht Baden-Württemberg im Vergleich zu anderen Bundesländern richtig gut aufgestellt. So können beispielsweise Weiterbildungsinteressierte über in jedem Stadt- und Landkreis ansässige Regionalbüros für berufliche Fortbildung eine trägerneutrale Erstberatung erhalten. Und auf der vom Wirtschaftsministerium verantworteten Weiterbildungsplattform fortbildung-bw.de findet man zu gut wie jedem Thema die passende Weiterbildungsmaßnahme. Das zuständige Referat Berufliche Weiterbildung fördert auch immer wieder innovative Weiterbildungsprojekte, aus denen dann in der Regel Instrumente oder Maßnahmen entstehen, die Unternehmen in der betrieblichen Weiterbildungspraxis einsetzen können. Viele Projekte der AgenturQ wären ohne Förderung des Wirtschaftsministeriums nicht möglich gewesen, etwa die Entwicklung des AiKomPass oder das Projekt Prospektive Weiterbildung für Industrie 4.0. Erwähnung finden können an dieser Stelle auch die Qualifizierungsverbünde des Bildungswerks der Baden-Württembergischen Wirtschaft, die durch das Ministerium kofinanziert werden. Und nicht vergessen werden darf schließlich die wichtige Fachkursförderung, ebenso wie die Förderung der Überbetrieblichen Bildungsstätten und das Coaching-Programm für Personalentwicklung.
Auch andere Referate im Wirtschaftsministerium kümmern sich um Weiterbildung, ebenso die Landesagenturen. Eine Projektgruppe im Rahmen der Allianz Industrie 4.0 hat beispielsweise in den letzten Monaten über Gelingensfaktoren zur Öffnung der Lernfabriken 4.0 an Beruflichen Schulen diskutiert und die Landesagentur E-Mobilität hat mit der Plattform transformationswissen-bw ein Angebot speziell für die Weiterbildung in der Automobil- und Elektroindustrie entwickelt.
Die berufliche Weiterbildung liegt in der Kernkompetenz des Wirtschaftsministeriums. Aber auch die anderen an der Dachmarke beteiligten Ministerien sind aktiv. So erfolgte vor kurzem der Relaunch der Plattform südwissen.de, auf der mehrere Hochschulen ihre Weiterbildungsangebote bündeln. An jeder Hochschule in Baden-Württemberg gibt es zudem in der Zwischenzeit Regional- und Fachvernetzer:innen im Rahmen des Projekts Hochschulweiterbildung@BW. Und das Kultusministerium ist mit den Volkshochschulen zuständig für die allgemeine Weiterbildung. Wozu auch berufsbezogene Sprachkurse oder Microsoft-Office Schulungen kommen. Nicht immer sind allgemeine und berufliche Weiterbildung trennscharf voneinander zu unterscheiden.
Wir müssen alle erreichen
Ich lehne mich mal aus dem Fenster und behaupte: Jede:r Ratsuchende findet durch verschiedenste Angebote Unterstützung in der Suche nach der richtigen Weiterbildung. Vorausgesetzt, sie oder er weiß, wo man suchen muss und an welche Stellen man sich wenden kann. Und da liegt wahrscheinlich die größte Herausforderung für die gemeinsame Weiterbildungsoffensive: Nicht nur diejenigen zu erreichen, die sich schon von selbst mit der Frage einer Weiterbildung beschäftigen und sich zum Beispiel auf www.fortbildung-bw.de umschauen. Sondern auch diejenigen zu erreichen, die sich bislang noch nicht mit dem Thema Weiterbildung beschäftigen und ihre #Chänce noch nicht erkannt haben. Insofern liegt es auch in der Verantwortung der Weiterbildungsoffensive, auch die bislang “Weiterbildungsfernen” zu sensibilisieren. Dazu gehört auch, auf die Notwendigkeit von Weiterbildung hinzuweisen und deutlich zu machen, dass wir in Zukunft andere Kompetenzen benötigen werden. Es reicht nicht, Beratungsangebote vorzuhalten und auf Ratsuchende zu warten. Viele wissen gar nicht, dass sie einen Weiterbildungsbedarf haben. Sie müssen wir durch aufsuchende Angebote erreichen.
Kein Aktionismus – Angebote stärker verzahnen
Abwarten tut niemand im Land. Vielmehr stellt sich die Frage, ob nicht manchmal das Gegenteil der Fall ist. Zu viel Aktionismus – mit der Gefahr, über das Ziel hinauszuschießen oder gar daneben zu schießen – ist der Sache auch nicht gerade dienlich. Es gibt unzählige Projekte im Kontext der beruflichen Weiterbildung und jede Initiative verfolgt ein klares berechtigtes Ziel bzw. erfüllt einen Zweck. Wenn aber die Vielfalt der Angebote sowohl für Weiterbildungsinteressierte wie auch für Arbeitgeber unübersichtlich wird, müssen wir uns dringend darum bemühen, Projekte stärker miteinander zu verzahnen, doppelte Arbeit zu vermeiden und Unternehmen wie auch Beschäftigten vielleicht gemeinsam ein in sich schlüssiges Gesamtangebot zu machen. Das gilt erst recht, wenn ich nicht nur auf Landesprojekte blicke, sondern auch die durch Bundesministerien finanzierte Projekte in meine Betrachtung einbeziehe. Etwa die durch das Bundeswirtschaftsministerium finanzierten Transformationsnetzwerke oder die durch das Bundesarbeitsministerium geförderten Weiterbildungsverbünde. Manchmal habe ich das Gefühl, dass es nichts gibt, was es nicht schon irgendwo gibt.
Umsetzung der Weiterbildungsoffensive braucht langen Atem
Jetzt liegt es an allen Beteiligten – den Ministerien, den Verbänden, der Arbeitsverwaltung, den Bildungsträgern u.v.m. – die Weiterbildungsoffensive weiter mit Leben zu füllen. Gemeinsam sollten wir uns über ein Zielbild Baden-Württemberg 2030 Gedanken machen: Wohin wollen wir, welche Future Skills werden wir brauchen, wer ist verantwortlich? Manche Initiativen und Vorhaben lassen sich vermutlich schnell umsetzen, bei anderen Themen muss am ganz großen Rad gedreht werden. Zum Beispiel bei der Öffnung der Universitäten und Beruflichen Schulen für berufliche Weiterbildung. Da werden wir einen langen Atem brauchen, vielleicht werden wir uns auch die Zähne ausbeißen. Ich bin gespannt, wohin die Reise geht.