Ein Beitrag von Dr. Stefan Baron – Geschäftsführer der AgenturQ
Im letzten Blog haben wir aufgezeigt, dass die direkten Vorgesetzten das Vertrauen in die eigene Weiterbildungsfähigkeit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter maßgeblich beeinflussen können. Insbesondere bei älteren Beschäftigten über 55 Jahren führte die empfundene Unterstützung regelrecht zu einem ‚Boost‘ des Vertrauens in die eigene Weiterbildungsfähigkeit. Wir erinnern uns: Bei einem vorhandenen Vertrauen in die eigene Weiterbildungsfähigkeit steigt die Wahrscheinlichkeit einer Weiterbildungsteilnahme. Es kommt also ein Stück weit auf den Vorgesetzten und seinen Führungsstil an.
Doch wie häufig kommt es vor, dass man im Alltagstrubel scheinbar keine Zeit hat, sich intensiver um die Mitarbeiterarbeiter/innen zu kümmern, auch mal zwischendurch das Gespräch zu suchen oder sich gründlich auf das Personalgespräch vorzubereiten? Man hat ja auch andere Aufgaben, die gerade dringender sind. Das Memo für den Vorstand, das laufende Projekt etc. Noch wichtiger: Wie häufig folgen Vorgesetze unbewusst Vorurteilen gegenüber bestimmten Beschäftigtengruppen? „Das muss schnell gehen, das gebe ich dem jungen Kollegen, der kennt sich gut mit Computern aus.“ Oder: „Das ist etwas komplizierter, dass wird die Fachkraft nicht können. Da muss ein Experte ran.“
Das soll jetzt keine Führungskräfteschelte sein. Das Verhalten ist auch ein Stück rational, ich mache mir dadurch meine Entscheidung einfacher. Es muss ja schließlich auch schnell gehen. In der Bildungs- und Arbeitsmarktsoziologie werden solche Entscheidungen durch die Signal- und Filtertheorie erklärt. Bildungsabschlüsse fungieren beispielsweise als Signal für die gewünschten Fähigkeiten und Fertigkeiten und die erhoffte Produktivität, die vermeintlich passenden Kollegen werden so herausgefiltert. Ähnliches gilt für das Alter der Beschäftigten. Es wird oft angenommen, dass die Produktivität mit dem Alter abnimmt, dass sich Ältere Veränderungen am Arbeitsplatz schlechter anpassen können oder auch weniger lernfähig sind.
Der eine oder andere Leser wird jetzt einwenden, dass diese These doch zu steil ist. Doch eben diese These wurde durch die bereits erwähnte demopass-Studie am Jacobs Center on Lifelong Learning and Institutional Development mit Umfragedaten aus Unternehmen der niedersächsischen M+E Industrie eindrucksvoll bestätigt. Es wurden nicht nur die Beschäftigten gebeten, ihre eigene Weiterbildungsbereitschaft einzuschätzen. Auch die direkten Vorgesetzten wurden gebeten, für jede und jeden ihrer Mitarbeiter/innen deren Weiterbildungsbereitschaft einzuschätzen. Die Ergebnisse der Analyse sind ein Stück weit erschreckend. Die Wahrscheinlichkeit für eine positive Bewertung für Mitarbeiter mit keinem oder nur einem Hauptschulabschluss ist um die Hälfte geringer als für Mitarbeiter/innen mit Abitur oder einem Hochschulabschluss. Und bereits für Mitarbeiter/innen mit dem Durchschnittsalter von 39 Jahren fällt die Wahrscheinlichkeit für eine positive Bewertung der Weiterbildungsbereitschaft deutlich geringer aus als für jüngere Mitarbeiter.
Es fehlen leider Längsschnittanalysen über einen längeren Zeitraum, um zu überprüfen, ob sich die „unsichtbaren Vorurteile“ tatsächlich auf die Unterstützung der Vorgesetzten für die genannten Gruppen und damit auch auf deren Vertrauen in die eigene Weiterbildungsfähigkeit auswirken. Es besteht aber der Grund zu der Annahme. Daraus leitet sich ein klarer Handlungsauftrag ab.
Führungskräfte müssen sich immer wieder bewusst machen, dass ältere Beschäftigte nicht per se weniger produktiv sind oder weniger lernbereit sind. Gerade die Diskussion um Industrie 4.0 und Digitalisierung hat allen deutlich vor Augen geführt, dass sie sich auch für das letzte Viertel ihres Erwerbslebens noch fit halten müssen. Auf das immens große Erfahrungswissen der älteren Beschäftigten kann übrigens auch kein Unternehmen verzichten. Auch formale Bildungsabschlüsse und Weiterbildungszertifikate sagen wenig aus über die tatsächlich vorhandenen Kompetenzen. Diese können auch informell erworben worden sein, auch im Privatleben. Es kommt darauf an, diese Kompetenzen zu erheben und sichtbar zu machen. Dabei helfen kann unser Instrument AiKomPass.
Die Herausforderungen gerade an neue Führungskräfte sind groß. Es ist aber noch kein perfekter Vorgesetzter vom Himmel gefallen. Es gibt nicht die Ausbildung oder dem Studiengang „Teams führen“, wohl aber gibt es viele gute Weiterbildungsangebote für werdende Führungskräfte und solche, die bereits Führungsverantwortung übernommen haben. Sie helfen mit passenden Angeboten, die Herausforderungen zu bewältigen. Größere Unternehmen haben eigene Führungskräftenachwuchsprogramme, für kleinere Unternehmen gibt es beispielsweise bei der Akademie für Personal- und Organisationsentwicklung passende Seminarangebote für Nachwuchsführungskräfte. Für die Unternehmen gilt: Werfen Sie Ihre zukünftigen Führungskräfte nicht ins kalte Wasser.