In der heutigen Arbeitswelt verändern sich die Technologie und die Wirtschaft immer schneller. Die Fähigkeiten, das Wissen und die Methoden, die man sich in der Ausbildung oder im Studium angeeignet hat, reichen in den meisten Berufen längst nicht mehr für das ganze Erwerbsleben aus. Tätigkeiten und Aufgaben, die es täglich zu bewältigen gilt, werden immer komplexer und erfordern oft Kompetenzen, die man sich zusätzlich aneignen muss. Die aktuelle Zeit des Wandels, die massiv von der Transformation und der Digitalisierung geprägt ist, macht es zwingend notwendig, dass Mitarbeitende sich regelmäßig weiterbilden, da es noch nie zuvor so wichtig war, immer auf dem aktuellen Stand zu sein. Auch für Unternehmen ist die Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bedeutsam, um wettbewerbsfähig zu bleiben, um schnellstmöglich auf Veränderungen reagieren zu können und um die Mitarbeitenden zu motivieren. Doch in welcher Form soll die Weiterbildung stattfinden? Müssen es immer ganz- oder sogar mehrtägige Schulungen sein? Ganz klar haben diese im Laufe eines Berufslebens ihre Berechtigung. Dennoch ist es oftmals obligatorisch, sich berufsbezogene Lerninhalte praxisorientiert anzueignen.
Lernen als Weiterbildung am Arbeitsplatz hat auch in der Metall- und Elektroindustrie Einzug gehalten. Im Oktober 2022 startete das Projekt „Innovative Weiterbildungsbausteine für “ der AgenturQ in Zusammenarbeit mit dem IAT der Universität Stuttgart. Dieses baut auf der Future Skills-Studie auf, in der insgesamt 33 Kompetenzen identifiziert wurden, die in Zukunft immer mehr benötigt werden. Gemeinsam mit verschiedenen Unternehmen als Praxispartnern werden in dem Projekt für zehn Future Skills Weiterbildungsbausteine für den Einsatz in der betrieblichen Praxis entwickelt. Doch warum sollte Lernen bzw. Weiterbildung nah am Arbeitsplatz stattfinden? Hierfür gibt es zahlreiche Gründe.
Welche Vorteile bietet das Lernen am Arbeitsplatz?
Das Lernen am Arbeitsplatz bzw. „Training on the Job“ wird in vielen Berufsgruppen immer wichtiger für die Erlangung und Entwicklung verschiedener Fähigkeiten. Dies ist angesichts der Vorteile, die arbeitsplatznahes Lernen mit sich bringt, auch nicht verwunderlich. Das Lernen findet hier in der alltäglichen Arbeitssituation statt und ist somit sehr praxisorientiert. Die Mitarbeitenden müssen nicht an tagelangen Schulungen oder Seminaren teilnehmen, die fern von ihrer eigentlichen Arbeitsumgebung stattfinden und sie werden nicht nur mit theoretischen Inhalten konfrontiert. Außerdem können Lerninhalte, wenn sie direkt in die Praxis umgesetzt werden, schneller und besser verinnerlicht werden, sozusagen durch das Prinzip „Learning by Doing“. Wer kennt es nicht? Man versucht sich Lerninhalte theoretisch anzueignen und bemerkt dann bei der Umsetzung, dass es in der Praxis eigentlich ganz anders funktioniert, als man es sich in der Theorie vorgestellt hat.Ein weiterer Vorteil des Lernens am Arbeitsplatz besteht darin, dass wenig von der aktiven Arbeitszeit der Mitarbeitenden verloren geht. Außerdem können Fehler schneller erkannt und somit auch schneller korrigiert werden. Arbeitsplatznahes Lernen fördert ebenso viele verschiedene überfachliche Kompetenzen der Mitarbeitenden, wie beispielsweise die Selbstständigkeit, die Problemlösefähigkeit, die Organisationsfähigkeit und die Transferfähigkeit.
Wenn zu erlernende Fähigkeiten eher von praktischer als von theoretischer Natur sind, ist das Lernen am Arbeitsplatz oftmals von größerem Nutzen als andere Formen der Weiterbildung. Beispielsweise bei (neu eingeführten) Softwareprogrammen. Hier macht eine ausschließlich theoretische Schulung eher wenig Sinn, da man diese am schnellsten bei der direkten Anwendung versteht und den Umgang damit erlernt.
Was beinhaltet ein erfolgreiches Lernen am Arbeitsplatz?
Für das Lernen am Arbeitsplatz benötigen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine lernförderliche Umgebung. Doch was braucht man für erfolgreiches Lernen? Wichtig sind insbesondere folgende Faktoren: Die Möglichkeit zum Üben und Verinnerlichen, der Austausch mit anderen, das Erleben von herausfordernden Erfahrungen und genügend Zeit zum Nachdenken und Reflektieren. Dies unterstreicht auch das 70-20-10-Prinzip. Demnach lernen wir 10% durch klassische Lehrformen, 20% durch Kolleginnen und Kollegen und 70% durch Learning by Doing.
Beim Lernen am Arbeitsplatz spielt natürlich auch die Führungskraft eine entscheidende Rolle. Die Entwicklung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehört zu den Aufgaben einer guten Führungsperson. Wenn dies vernachlässigt wird, können weitreichende Konsequenzen für das Unternehmen eintreten, wie beispielsweise eine fehlende Bindung zum Unternehmen, vermehrte Kündigungen oder eine mangelnde Arbeitsmotivation seitens der Mitarbeitenden. Das Thema berufliche Bildung ist außerdem im Betriebsverfassungsgesetz geregelt. Demnach sind ArbeitgeberInnen und der Betriebsrat verpflichtet, die Berufsbildung der ArbeitnehmerInnen zu fördern (§96 BetrVG).
Informelles Lernen am Arbeitsplatz
Ganz besonders wichtig ist in der heutigen Zeit des rasanten Wandels auch das informelle Lernen am Arbeitsplatz. Informelles Lernen bezeichnet die Aneignung von Wissen, Fähigkeiten und Kompetenzen, die in beruflichen und alltäglichen Situationen stattfindet. Dies kann sowohl bewusst als auch unbewusst erfolgen. Dabei ist also das Lernen außerhalb von Bildungseinrichtungen gemeint, es findet sozusagen „nebenbei“ statt. Informelles Lernen am Arbeitsplatz ist sehr vielfältig und kann somit auf viele verschiedene Art und Weisen erfolgen: Beobachten und Ausprobieren, das Lesen von Fachbüchern und das Besuchen von Fachmessen, Recherche im Internet, das Anhören von Podcasts, das Ansehen von Tutorials, das Lernen von Kolleginnen und Kollegen oder von Führungskräften, sich mit anderen Abteilungen austauschen, Coaching und Supervision, Übernahme von Verantwortung, computergestützte Selbstlernprogramme oder auch der Wechsel des Arbeitsplatzes.
Informelles Lernen ist besonders in der heutigen Zeit des lebenslangen Lernens nicht mehr wegzudenken. Wir alle sollten dazu bereit sein, uns neues Wissen sowie Fähigkeiten anzueignen, um unseren Arbeitsalltag weiterhin erfolgreich meistern zu können.
Herausforderungen von Lernen am Arbeitsplatz
Die Digitalisierung und die Transformation sind nicht nur mit neuen Möglichkeiten des Lernens verbunden, sondern natürlich auch mit Herausforderungen. Beispielsweise muss für das Lernen am Arbeitsplatz auch Zeit eingeräumt werden, in der man oftmals nicht aktiv mit seinen alltäglichen Arbeitsaufgaben beschäftigt ist. Auch sollte die Sinnhaftigkeit der Lerninhalte hinterfragt werden. Das bedeutet, dass Lerninhalte auch zum eigenen Beruf passen und somit für die damit verbundenen Tätigkeiten nützlich sein sollten.
Außerdem muss bei der Art und Weise des Lernens zwischen den Arbeitsplätzen im Büro und in der Produktion unterschieden werden, da hier das Lernen unterschiedlich stattfindet. Bei dem Arbeitsplatz im Büro werden Informationen bearbeitet, erstellt, beurteilt, analysiert, empfangen und weitergegeben. Die Arbeit findet in der Regel an einem Schreibtisch vor einem Bildschirm statt. In der Produktion hingegen werden bestimmte Teile möglichst schnell und in möglichst optimaler Qualität hergestellt. Lernen im Büro erfolgt dementsprechend anders als in der Fertigung. Im Büro werden beispielsweise vermehrt digitale Lernformate genutzt, da man sozusagen durch den bereits vorhandenen Bildschirm direkt an der Quelle sitzt. In der Produktion gibt es meist keine digitalen Arbeitsplätze, sodass hier auch auf andere Lernmethoden zurückgegriffen wird. In der Produktion müssen zum Beispiel neue Abläufe oder die Herstellung neuer Teile erlernt werden. Hierfür kann der Einsatz von sogenannten Lerninseln in der Fertigung hilfreich sein. Dabei können neue Produktionsabläufe erprobt oder bereits vorhandene Fähigkeiten verbessert werden. Eine andere Lernform in der Produktion stellt die Unterweisung dar. Hierbei erklärt die Führungskraft den Mitarbeitenden Schritt für Schritt neue Arbeitsabläufe und steht bei eventuellen Fragen oder Problemen zur Verfügung.
Gelingensfaktoren von Lernen am Arbeitsplatz
Für ein erfolgreiches Lernen am Arbeitsplatz müssen einige Faktoren berücksichtigt werden bzw. gegeben sein. Der Arbeitsplatz sollte bezogen auf die Systeme und Rahmenbedingungen lernförderlich gestaltet sein. Hierzu zählt zum Beispiel, dass man genügend Möglichkeiten und auch Ruhe zum Erarbeiten neuer Inhalte hat. Ebenso müssen natürlich auch die personellen und zeitlichen Ressourcen vorhanden sein, um das Lernen am eigenen Arbeitsort zu ermöglichen. Führungskräfte sollten ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vorleben, dass das Lernen im Unternehmen gefördert wird und sogar erwünscht ist. Hierfür ist allerdings auch eine dementsprechende Unternehmenskultur erforderlich. Die Motivation der Beschäftigten ist ebenfalls ein wichtiger Faktor, denn für ein erfolgreiches Lernen ist ein gewisses Maß an Motivation obligatorisch. Es muss ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass Lernen im Arbeitsalltag wichtig ist, um beschäftigungsfähig zu bleiben.